28.

[64] Löschen Sie in Ihrem Blick und Ihren Gesichtszügen die Fertigkeit nicht aus, getreu[64] ist das Mitgefühl, lebhafte Theilnahme an dem, was erzählt, geschildert wird, Fröhligkeit bei den Frohen, Traurigkeit bei den Traurigen, edles Mitleiden bei den Nothleidenden, Duldsamkeit gegen den Fehlenden, Sanftmuth gegen den Verirrten zu zeigen. So oft geschieht dies, durch üble Angewohnheit und Grimassen, die das Gesicht verzerren, die Züge entstellen und abstumpfen, daß sie nichts ächt und scharf mehr und oft das Gegentheil anzeigen. So mancher sieht darum höhnisch und mokant aus, der es nicht ist; mancher Leute Blick lächelt und scheint zu nekken, wenn er trösten und Mitleiden zeigen soll, so manches Auge drohet, wenn der Mund bittet.

Quelle:
Siede, Johann Christian: Versuch eines Leitfadens für Anstand, Solidität, Würde und männliche Schönheit. Dessau 1797, S. 64-65.
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