Absagen

[12] etwas Mustergültiges zu sagen, ist schwer. Plötzlich eingetretenes Unwohlsein wird wohl nicht geglaubt, eine nötig gewordene Reise ist deshalb so unbequem, weil man sich wenigstens zwei Tage lang nicht öffentlich sehen lassen dürfte, Zahnweh ist sehr empfehlenswert, weil es sich der Kontrolle entzieht. Von einem Gichtanfall rate ich ab, weil die Gicht eine gewisse Anhänglichkeit besitzt und man so bald nicht glaubt, daß sie sich rasch wieder entfernt hat und daher der Heuchler, der sie vorschützt, monatelang gefragt zu werden pflegt, wie es ihm gehe. Sehr nützlich ist die Angabe, man habe Besuch von Verwandten bekommen, von denen man sich leider an dem betreffenden Abend nicht trennen könne. Doch brauche man die Vorsicht, im letzten Moment damit hervorzutreten, da man sonst Gefahr läuft, daß man die Aufforderung erhält, den oder die Verwandten mitzubringen, wodurch eine neue Verlegenheit entstehen würde.

Eine schöne Kunst ist es, sich gleich nach Tisch entfernen zu können. Aber es ist eine schwierige Kunst. Man darf sich nicht dabei erwischen lassen. Man muß ein scharfes Auge auf die Festgeber werfen und den Moment ausnützen, wo sie sich in einem anderen Raum aufhalten. Jetzt gilt ein rasches Handeln. Man eilt hinaus, greift nach dem Paletot, dessen Schlupfwinkel man sich genau gemerkt hat, und entfernt sich; den Chapeau claque öffne man bei dieser Gelegenheit leise, damit der Knall nicht die Wirtin oder den Wirt herbeilocke, die oder der dann die Flucht vereiteln würde.

Vieles von dem hier Gesagten und Empfohlenen wird sich auch für den


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 41906, Bd. I, S. 12.
Lizenz:
Kategorien: