Kiebitz-Eier

Kiebitz-Eier

[51] zeichnet sich durch bedauerliche Kürze aus, und wenn sie auch eigentlich nicht dem Sommer angehört, so darf sie doch hier eher, als in einer anderen Jahreszeit mit Interesse betrachtet werden. Sie empfiehlt sich wegen ihres raschen Vorübereilens besonderer Sorgfalt. Man nehme also eine Einladung um Kiebitz-Eier-Essen schon deshalb an, weil dies wegen der teuren Kiebitz-Eier-Preise vorteilhafter ist, als selbst dazu einzuladen.

In der ersten Woche ist das Kiebitz-Ei meist unerschwinglich teuer. Man hasse deshalb den genannten Vogel nicht, er kann nichts dafür und hat auch nichts davon. Bekommt man nun in den Tagen der größten Teuerung eine Einladung, so nehme man sie ohne Rücksicht auf das Vermögen des Einladenden an, indem man sich sagt, daß man demselben eine große Ehre erweise. Es ist dies eine schöne Beruhigung für einen Gast, der gerne Kiebitz-Eier ißt, sie aber nicht gerne selbst bezahlt. Man greife auch zu und sei überzeugt, daß der höchste Preis an dem guten Geschmack der Kiebitz-Eier nichts ändert.

Hat man so viele Eier gegessen, daß man nicht mehr essen kann, so nehme man das Wort, um auseinander zu setzen, daß man das Kiebitz-Ei für ein[51] Vorurteil halte und ein gewöhnliches frisches Hühner-Ei dem kostspieligsten Kiebitz-Ei vorziehe. Es kann dies zwar dem Wirt keine Freude machen, aber auch dem Redner nicht schaden, da eben wegen der Kürze der Kiebitz-Eier-Blüte eine zweite Einladung überhaupt nicht erfolgen würde.

Man vergesse nicht, das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der linken Hand zu stellen und es dann mit der rechten Hand breitzuschlagen. Man weiß natürlich nicht, weshalb. Hierauf schneide man die harte Spitze des Kiebitz-Eies fort, ohne ebenfalls den Grund zu wissen. Aber für die Umgebung ist es belehrend und wirkt respekteinflößend.

Nur wenn man links ist und das Kiebitz-Ei in die Innenfläche der rechten Hand stellt und es dann mit der linken Hand breitschlägt und köpft, weiß man, warum dies geschieht. Weil man eben links ist.

Zu den Vergnügungen des Sommers gehört auch das


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1905, Bd. II, S. 51-52.
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