»Der moderne Knigge« glaubt auch darin außergewöhnlich sein zu sollen, daß er Wohlthat und Freundlichkeit, die ihm erwiesen worden sind, nicht zu vergessen sich bemüht und sich der Pflicht der Dankbarkeit nicht zu entziehen sucht. Und so eröffnet er denn seinen dritten Band mit einem herzlichen Dank für die Gastfreundschaft, welche seine ersten zwei Bände bei den Bücherfreunden und namentlich bei den Bücherkäufern gefunden haben. Er hofft auch durch seine bei dieser Gelegenheit bekundete Offenheit keinen üblen Eindruck zu machen. Der Bücherfreund ist gewiß eine willkommene Persönlichkeit auf dem litterarischen Markt, aber der Bücherkäufer ist die willkommenere. Der Bücherfreund ist selten auch Käufer, aber der Bücherkäufer ist immer zugleich auch Freund. Es giebt ja vornehme Schriftsteller, welche den Bücherfreund sehr hoch schätzen und ihm allerlei Lob ins Gesicht sagen, so daß er mit züchtigen verschämten Wangen vor ihnen steht. Aber ich glaube ihnen nicht ohne weiteres. Selbst wenn sie es, Gottlob, nicht nötig haben sollten, den Bücherkäufern öffentlich den ersten Platz einzuräumen, so glaube ich trotzdem, daß sie, wenn sie allein sind, ihnen den Vorzug vor den Bücherfreunden geben, denn sie verdanken ihnen doch schließlich das Vergnügen, mit einem gleichgültigen Seitenblick auf sie protzen zu dürfen. Die Bücherkäufer bilden ja namentlich in Deutschland die Minorität, aber diese Minorität bringt die Auflagen zustande, und sie nützt daher dem Schriftsteller mehr als die Majorität der Bücherfreunde. Wir finden diese Erscheinung[1] in den Parlamenten wieder, in denen die die Gesetzgebung fördernden Abgeordneten gleichfalls die Minorität bilden, während die Majorität unthätig dasitzt oder spazieren geht. Die Bücherfreunde gehen auf dem Büchermarkt spazieren oder sitzen unfruchtbar da, die Bücherkäufer arbeiten, fördern und bleiben dem Prinzip treu: Erst das Geschäft und dann das Vergnügen, während die Bücherfreunde sich um das Geschäft gar nicht bekümmern, sondern nur dem Vergnügen nachgehen. Um einen Vergleich aus dem gesellschaftlichen Leben herbeizuziehen: Der Bücherfreund ist der Ballgast, der erscheint, um sich die hübschen jungen Tänzerinnen anzusehen und dann am Büffett oder an der Abendtafel teilzunehmen. Der Bücherkäufer tanzt. Man frage nur eine Hausfrau, welche einen Ball giebt, und sie wird dem Tänzer, wie der ehrliche Schriftsteller dem Käufer, den Vorzug geben.

Aber nicht jeder Bücherkäufer besitzt auch alle menschlichen Tugenden. Von den Tugenden, die ihm fehlen, ist die der Zufriedenheit in erster Linie zu nennen. Und die Zufriedenheit ist eine der hervorragendsten Tugenden des Menschen. Wie ich nämlich weiß, war er mit den Leistungen meines Knigge wenigstens nicht ganz zufrieden, weil er darin den Leitfaden durch viele Fest- und Feiertage, welche in dem so verbreiteten Schooß der Familie und öffentlich gefeiert zu werden pflegen, vergeblich suchte. Der Ausdruck dieser Unzufriedenheit gelangte nicht nur brieflich und – wenn dieses Wort erlaubt ist – postkärtlich an mich, sondern auch an meinen Verleger, was für den Schriftsteller immer von großer Bedeutung ist, denn wenn er auch kein gutes Licht auf das erschienene Buch wirst, so regt er doch die Idee einer Fortsetzung desselben an, und wenn diese im Kopf des Verlegers entsteht, so ist das immer besser, als wenn der Verfasser bei dem Verleger erscheint und[2] ihm den Vorschlag macht, einen zweiten oder dritten Band zu verlegen. Es ist dies besser, weil es einen wohlthätigen Einfluß auf die Bestimmung des Honorars ausübt.

Der unglücklichste Schriftsteller ist immer der einen Verleger suchende, während der, ich will nicht sagen: glücklichste, aber doch der minder Unglückliche der vom Verleger gesuchte ist. Wenn man von einem gesuchten Arzt spricht, so meint man einen mit einträglicher Praxis, während der Patienten suchende in einer recht schlimmen Lage zu sein pflegt. Ein Manuskript, das ein Schriftsteller einem Verleger anbietet, ist, wenn es wertlos ist, sofort um die Hälfte weniger wert, während ein Manuskript, welches von einem Verleger gesucht wird, wenigstens um die Hälfte im Werte steigt.

Man sieht, daß ich das Belehren nicht lassen kann. Ich wollte nur mitteilen, daß der vorliegende dritte Band sein Entstehen den Mängeln der beiden ersten Kniggebände verdankt, und sofort schreibe ich mich in das Bestreben hinein, meinen Kollegen etwas über den Umgang mit Verlegern zu sagen.

Will der Schriftsteller einen Menschen kennen lernen, mit dem es sich gut leben läßt, mit dem man friedlich verkehren und bei dem man auch eine freundliche Aufnahme, einen verdaulichen Tisch und eine rauchbare Cigarre findet, so empfehle ich ihm den deutschen Verleger. Nur brauche er die Vorsicht, ihn nicht auch zu seinem Verleger zu machen, oder widerstehe der Versuchung, mit ihm in eine geschäftliche Verbindung zu treten. Denn der Verleger, dessen Freud du bist und der dich durch seine Bildung, seine Liebenswürdigkeit, seinen Tisch und seine Cigarren erfreut, wird ein ganz anderer sein, nachdem er auch dein Verleger geworden und auf der letzten Seite der von ihm verlegten Bücher unter der Überschrift:[3] »In demselben Verlage sind erschienen«, auch eins deiner Bücher als eine der hervorragendsten Erscheinungen der Litteratur namhaft macht. Von diesem Augenblick an wird das einst so gute Verhältnis häufig getrübt. Der Verleger sieht in dir einen eingebildeten, anmaßenden, von ihm leider verwöhnten Menschen, und du erklärst ihn mündlich und schriftlich für einen durch dich reich gewordenen, dein Interesse vernachlässigenden und in dem Bestreben, dich zu ärgern und dir die Lust zur Arbeit zu verleiden, unerschöpflich erfinderischen Mann. Es ist hierfür gleichgültig, ob die beiden Herren mit Recht oder Unrecht so böse aufeinander sind, der Verkehr zwischen dem Schriftsteller und dem Verleger ist im besten Falle immer ein mit oder ohne Grund getrübter. Es giebt allerdings auch Ausnahmen, die mir aber nicht bekannt sind.

Fürchte nicht, daß du dir eines Tages den Vorwurf machen müßtest, du habest deinen Verleger verkannt, indem er dir, wie es sich nach seinem Tode herausstellt, eine größere Rente hinterlassen hat. Wenn das Testament eröffnet wird, dann ist darin von dir überhaupt nicht die Rede. Übrigens geht es ihm mit deinem Testament ebenso.

Mit dieser trostlosen Betrachtung schließe ich dieses Vorwort, das ich nur geschrieben habe, um zu beweisen, daß der Verleger auch dieses dritten Bandes des mir so nützlichen »Modernen Knigge« ein Verleger ist, wie er im Buche steht, d.h. mit Recht gelobt zu werden verdient. Denn sonst würde er wohl dieses Vorwort verrotstiftet haben. Ich wünsche daher schon aus diesem Grunde, daß die Mängel der ersten zwei Bände durch den hier vorliegenden dritten nicht gänzlich beseitigt werden, damit ich diesem dritten einen vierten folgen lassen kann zum Nutzen dieses meines Verlegers und zu meinem eigenen Vorteil.[4]

Und nun frisch ans Werkchen.


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1902, Bd. III, S. 1-5.
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