das Reinemachen

[69] stattfindet, mit ganz besonderer Aufmerksamkeit betrachtet werden.

Wenn ich diesen Tag einen furchtbaren genannt habe, so wird man zugeben, daß ich mich einer Milde des Ausdrucks befleiße, welche ganz unerwartet einen Blick in eine weiche Seele thun läßt, die mancher Leser für das Gegenteil hielt.

Wohl weiß jeder Mann, er sei Junggeselle oder Gatte, daß eine Wirtschaft regelmäßig gründlich gesäubert werden muß, wenn sie nicht verkommen soll. Reinlichkeit, für den Menschen das halbe, ist für die Wirtschaft das ganze Leben. Aber sie ist wie eine Operation, welche der Arzt als notwendig für das Lebenbleiben erklärt, aber dennoch höchst bedenklich erscheint.

Das Reinemachen ist und bleibt trotz seiner dringenden Notwendigkeit eine der Grausamkeiten, denen das weibliche Geschlecht zuneigt und die das Geheimnis des Ewig-Weiblichen bilden.

Das Reinemachen bricht als großes und als kleines Reinemachen aus. In beiden Gestalten ist es schlimm, wie das große und das kleine Pech, wenn es auch nützlich und unentbehrlich ist wie das große und das kleine Einmaleins.

Hält ein Mann es für Ehrensache, nicht nur wie die meisten Ehemänner Gehorsam, sondern wie[69] auch der Mameluk Mut zu zeigen, so sei er, um nicht zu erbleichen, immer darauf vorbereitet, daß an einem der nächsten Tage seine Frau sich mit einem halb drohenden und halb bedeutungsvollen Blick im Zimmer umschaut und dann wie beruhigt und beiläufig bemerkt. »Na, übermorgen wird ja reingemacht.« Sie erinnert damit an die verheißungsvollen Verse Mephistos:


»So spukt mir schon durch alle Glieder

Die herrliche Walpurgisnacht!

Die kommt uns übermorgen wieder;

Da weiß man doch, warum man wacht.«


Allerdings nützt dem Mann das Nichterbleichen nichts, da die Gattin, indem sie ihn mit einem geheuchelten Blick des Mitleids anblickt, sehr wohl weiß, daß er innerlich erbleicht.

Will dann der Gatte etwas absolut Überflüssiges und im besten Fall Erfolgloses thun, so seufze er, daß es steinerweichend laut wird. Ein Zucken der so überaus reizenden Achsel seiner Gattin wird ihn deutlich belehren, daß jede Änderung völlig ausgeschlossen und nichts zu machen sei.

Der Gatte verzweifle nicht. Nicht, weil noch alles wieder ins alte Geleise kommen könne, wie Napoleon kurz vor seiner Abfahrt nach Wilhelmshöhe hoffte, sondern weil keine Zeit zu verlieren ist. Statt zu verzweifeln bringe er alles, was ihm lieb geworden, was er nach dem Reinemachen brauchen sollte, und was er nicht wieder anschaffen könnte, in Sicherheit, so weit dies menschenmöglich ist.

Wähnt der Gatte, ein Perseus zu sein, so irrt er sich. Denn wenn am Tage des Reinemachens die Scheuerfrau erscheint, so wird er diese Gorgo nicht ansehen können, da er diesem Anblick nicht gewachsen ist. Es würde ihm auch nichts nützen, ihr den Kopf abzuschlagen, ganz abgesehen davon, daß er dies nie[70] thun würde, denn es giebt mehr Scheuerfrauen als es Gorgonen gab, und selbst Perseus konnte die Medusa nur, als sie eingeschlafen war, töten, während die Scheuerfrau nie schläft, sondern immer scheuert und ähnliches Unheil stiftet.

Männer, welche Freunde der Ordnung sind und ein geregeltes Dasein führen, werden mindestens einen Tag nach dem Reinemachen so freimachen, daß sie die durch das Reinemachen angerichtete Unordnung energisch beseitigen können, wozu ein Tag genügen dürfte. Den größten Teil dieser Zeit nimmt die Wiederherstellung der Ordnung der Bibliothek in Anspruch, welche von den reinemachenden Frauen durch sogenanntes Staubwischen in Verwirrung geraten ist, so daß sich eine einzige Reihe ungefähr wie folgt gestaltet hat: Der 6. Band Goethe, der 12. Band Brockhaus, ein Band Börne, Büchmann, der 20. Band Goethe, Grisebachs Tannhäuser, der 3. und 8. Band Brockhaus, Heines Buch der Lieder, der 4. Band Schopenhauer, der Jahrgang 1848 des Kadderadatsch, Webers Weltgeschichte 11. Band, Kürschners Litteratur-Kalender, Briefe Hans v. Bülows 4. Band, Schillers Gedichte, Fuldas Zwillingsschwester, Bismarcks Gedanken und Erinnerungen 2. Band, Paul Lindaus Spitzen 1. Band, die Bibel, das Kommersbuch, Heyses Fremdwörterbuch u.s.w. Und da nun die ganze Bibliothek in dieser Weise geunordnet ist, so füllt der Eigentümer einen halben Tag mit litterarischer Arbeit angenehm aus.

Eines erfreulichen Anblickes genießt der Herr des Hauses, indem sein Auge auf nicht einen einzigen zerbrochenen Glas- oder Porzellangegenstand fällt. Dies dankt er der Sorgfalt seiner Gattin, welche alle Trümmer beseitigt hat, um sie entweder ausbessern oder fortwerfen zu lassen.

Er verliere nicht die Geduld, wenn er, genötigt, am Reinemachentag im Klub essen zu müssen, von[71] der Tischgesellschaft auf das Tiefste bemitleidet wird.

Es ist ja sehr traurig, bemitleidet zu werden, aber diesem Mitleid entgeht ja kein Mann, der eine halbwegs haushälterische Frau oder Wirtin hat, und solche hat wohl jeder.

Noch sei einer üblen Seite des Reinemachens gedacht. Das Reinemachen, welches die Ordnung in Unordnung verwandelt, verwandelt auch die Unordnung in Ordnung. Das ist für die Unordnung auf dem Schreibtisch, an welchem man viel zu arbeiten hat, ein großer Übelstand, wenn sich der Vielarbeiter so an sie gewöhnt hat, daß er sofort alles findet, was er braucht oder sucht. Durch die hereinbrechende Ordnung wird dies unmöglich, und es ist daher sehr mühevoll, die Unordnung wieder herzustellen, wenn sich das Reinemachen ausgetobt hat.

Ist dann dieser Zeitpunkt eingetreten, so entschließe man sich nur dann, wenn man mit Vorliebe tauben Ohren predigt, der Gattin zu schildern, wie wenig erbaut man von der Übersauberkeit sei und wie schwer namentlich das Arbeits-, das Studier-, das Herren-, oder irgend ein anderes Zimmer, in welchem man sich am wohlsten fühlt, oder am meisten zu thun hat, unter den metallenen Händen liebloser Scheuerfrauen gelitten. Die Gattin wird alles voll Teilnahme anhören und das Reinemachen demnächst in ganz derselben Strenge wiederholen.

Aber dem Regen folgt Sonnenschein, wie der Schirmhändler seufzend zu sagen pflegt. Nach dem kritischen Tag des Reinemachens kommen ruhigere Tage, wenn von solchen in einem Hause, in welchem Kinder sich des Lebens freuen, die Rede sein kann. Es kommen


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1902, Bd. III, S. 69-72.
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