der Polterabend

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der Polterabend,

weil er dem mühevollen und immerhin gefährlichen Zustand des Verlobtseins ein Ende macht und zugleich noch nicht den des Verheiratetseins bedeutet.

Der Kenner des Lebens freut sich auf seinen Polterabend, weil solcher vielleicht das Heiterste des Braut-und Ehestandes ist. Ebenso die Braut, welche weiß, wie viel schlimmer oft in als vor der Ehe gepoltert wird.

Will das Brautpaar nicht in der tollsten Weise enttäuscht werden, so erwartet es das Witzloseste auf dem Gebiet des Überbrettlhaften, und es wird schließlich ziemlich befriedigt den Polterabend verlassen, so ungemein unbedeutend das Leben der Braut und des Bräutigams in den lebenden Bildern und in dem begleitenden Text erscheinen mag.

Der Gast fürchte die Darstellerinnen und Darsteller nicht, welche auf der Dilettantenbühne einen oder zwei Einakter aufführen. Sie sind im Grunde ganz harmlose Leute, welche sich nur während der Aufführung sehr gefährlich gebärden und den Zuschauern den Abend verderben. Nachher aber kann man sich wieder mit ihnen anfreunden.

Wer selbst etwas zur Unterhaltung beitragen will, wage dies getrost. Er darf überzeugt sein, daß noch viel Geist- und Witzloseres geleistet werden wird.

Man hüte sich, den Bräutigam durch eine auf den Abend sich beziehende Bemerkung in die heiterste Laune versetzen zu wollen. Er ist gewöhnlich schon in die heiterste Laune versetzt, hat die Bemerkung bereits von zehn Gästen gehört und haut nun um sich.

Beim Tanzen sei man doppelt vorsichtig. An Polterabenden sind die jungen Mädchen, Witwen und älteren Mädchen mehr als an anderen Abenden unternehmungslustig,[51] und es ereignen sich deshalb unheilbare Verlobungen aller Art. Auch den jungen Mädchen, Witwen und älteren Mädchen ist die sauberste Vorsicht zu empfehlen, da die Polterabende die Unternehmungslust des männlichen Geschlechts zu beleben pflegen und ihnen unheilbare Verlobungen bereiten können. Nachher ist es dann zu spät.

Man wickele, wenn man Kinder hat und ihnen etwas mitbringen will, vom Dessert nichts in eines der zur Verteilung gekommenen Lieder. Denn die Kinder könnten diese lesen, sich nach denselben zu Dichtern ausbilden und dadurch das ihnen etwa angeborene Talent völlig vernichten.

Man darf keinen Augenblick vergessen, daß der Polterabend ein sehr lustiges Fest ist, und muß auch dann, wenn man dies nicht bestätigt findet, vergnügt aussehen. Wird man in diesem Fall gefragt, wie man sich amüsiert, so antworte man: »Wie ein Schneekönig.« Dieses macht einen vortrefflichen Eindruck, obschon kein Mensch weiß, wie sich ein Schneekönig amüsiert.

Den Eltern der Braut ist ein nicht gewöhnliches Verhalten dringend zu empfehlen, vor allem haben sie für einen ernsten Ausdruck zu sorgen, welcher nur dann und wann durch einen Anflug von Heiterkeit gemildert wird. Denn es schickt sich von ihnen wohl nicht, durch Ausgelassenheit zu verraten, daß sie sich freuen, ihre Tochter loszuwerden. Es darf auch nicht vergessen werden, daß auch der Polterabend nicht aller Tage Abend ist. Zwischen dem Polterabend bis zum Gang nach dem Standesamt kann viel geschehen, wie dies von Schiller in einer seiner berühmtesten Balladen geschildert wird und zwar zwischen dem Auftrag des Grafen von Savern an Fridolin bis zu dessen Gang nach dem Eisenhammer.

Eine völlige Sicherheit ist ja, wie mancherlei[52] Thatsachen bekunden, selbst noch nicht durch das Standesamt geboten, so daß auch


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1902, Bd. III, S. 50-53.
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