Eine Exzellenz

Eine Exzellenz,

[30] so wird diese sich in die angenehme Lage versetzt sehen, daß sie das Folgende nicht zu lesen braucht, namentlich nicht, wenn sie längst weiß, was hier zu sagen sein wird, nicht nur, wenn sie empfindlich ist.

Wer durch Glück oder Geburt und Verdienst – auch Geburt und Verdienst sind oft Glück – zu dem Titel Exzellenz, oder zu dem dieser Titel gekommen ist, wird nicht eingestehen, daß er dadurch ein beliebtes und hochgeschätztes Mitglied der Gesellschaft geworden. Aber das macht nichts, er ist dies dennoch durch diesen schönen Titel.

Ist man Exzellenz, so wird man wie jeder, der es nicht ist, oder besser wissen, daß das Wort Exzellenz Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit, Herrlichkeit bedeutet. Als der Titel Exzellenz von den Fürsten abgetragen war, wurde er von ihnen weitergegeben, und nun tragen ihn Minister, Geheimräte und andere Sterbliche. Diese werden aber mit Mißvergnügen zugeben, daß sie zwar Exzellenz, aber nicht die Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit,[30] Herrlichkeit sind. Geben sie dies nicht zu, so ändert dies nichts. Jede ehrliche Exzellenz wird aber gerne zugeben, daß sie zwar selbst die Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit, Herrlichkeit sind, aber doch einige Exzellenzen kennen und namhaft machen könnten, welche eine Ausnahme machen und als die Vortrefflichkeit, Vorzüglichkeit, Herrlichkeit keineswegs gelten können.

Die Exzellenz, wenn sie ein mit den bezeichneten Gaben ausgestatteter, oder kein solcher Mensch ist, wird längst bemerkt haben, daß Nichtexzellenzen es für ein großes Glück halten, sie kennen zu lernen, mit ihr verkehren zu dürfen oder sie gar in ihrem Hause begrüßen und bewirten zu dürfen. Sie wird darüber lachen, aber dies den armen Nichtexzellenzen nicht zeigen. Denn wenn diese durch einen Titel berauscht werden, so sind sie wie andere Alkoholiker und Potatoren zu bedauern und auch durch den Spott nicht zu heilen. Man gehe ihnen aber wie anderen Betrunkenen aus dem Wege. Es gibt wohl auch alte Exzellenzen, welche dies tun, während sie von jungen und neuen aufgesucht werden.

Eine Exzellenz, auch solche, die den schönen Titel nicht in der Wiege vorgefunden hat, braucht auf eine Anrede nicht zu antworten, oder solche nicht ernst zu nehmen, denn in den meisten Fällen wird der Titel nur ausgesprochen, damit andere hören, daß er von dem, der ihn ausspricht, wie ein ganz gewöhnlicher Titel ausgesprochen wird. Als ganz gewöhnliche Titel gelten: Professor (auch der Magie), Doktor, Rechtsanwalt, Rat, Baumeister, Direktor, Konsul, Leutnant.

Man nenne einen solchen Titelanbeter nicht einen Hansnarren, den er ist es trotzdem.

Wird man mit dem Titel Exzellenz in den Ruhestand versetzt, so freue man sich über den Ruhestand genau so, wie man sich über ihn freuen würde, wenn[31] man in ihn ohne den Titel Exzellenz versetzt worden wäre.

Wird eine Exzellenz an die Spitze einer Unternehmung gestellt, lediglich um dieser als Reklame zu dienen, während sie nichts zu arbeiten braucht, so stecke die Exzellenz gewissenhaft das mit dieser Stellung verbundene Gehalt ein und begnüge sich mit dem beruhigenden Bewußtsein, etwas für Handel und Industrie getan zu haben. »Seines Fleißes«, sagt Lessing zwar, »darf sich jedermann rühmen«, aber eine Exzellenz braucht auch ihr Nichtstun nicht in den Schatten zu stellen.

Bedeutend größere Schwierigkeiten verbinden sich mit der Ehre,


Quelle:
Stettenheim, Julius: Der moderne Knigge. Berlin 1903, Bd. IV, S. 30-32.
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