III. Körperschaften.

[6] Die Vorstellung von Körperschaften an Ihre Königlichen Majestäten bewirkt herkömmlicher Weise der betreffende Ressortminister. So wurde z.B. bei der grossen Hofcour im Jahre 1869 die damals hier tagende Commission für die Ausarbeitung des Entwurfes einer Civil-Process-Ordnung Allerhöchsten Ortes durch den Justiz-Minister, als Ressortchef, präsentirt.

Was den Bundesrath und den Reichstag anlangt, so hat der Reichskanzler oder, falls derselbe behindert sein sollte, sein Stellvertreter die Bevollmächtigten zum Bundesrathe Ihren Kaiserlichen und Königlichen Majestäten vorzustellen. Nach dieser Vorstellung, welche in einem besonderen Gemache stattfindet, erfolgt diejenige sämmtlicher Abgeordneten. Letztere werden zu diesem Behufe in einem angrenzenden Appartement resp. in mehreren so aufgestellt, dass diese Aufstellung die Form eines Hufeisens bildet. Rechts vom Eintritte Ihrer Majestäten, und zwar nach Maassgabe der zu diesen Vorstellungen bisher benutzten Localitäten des hiesigen Königlichen Schlosses längs der Fensterseite, nehmen die Abgeordneten des Preussischen Staates, links vom Eintritte Ihrer Majestäten, längs der gegenüberliegenden Wandseite, nehmen die Abgeordneten der anderen zum deutschen Reiche gehörigen Staaten ihre Stellung. Wird nun der Punkt, wo die Aufstellung der Preussischen Abgeordneten beginnt, mit a., derjenige, wo die Aufstellung der anderen Abgeordneten beginnt, mit b., und der Punkt, wo diese beiden Körper an einander[6] grenzen, mit c. bezeichnet, so beginnt die Vorstellung an Ihre Majestäten gleichzeitig bei a. und b., und zwar werden Seiner Majestät dem Kaiser und Könige principiell zunächst die Preussischen Abgeordneten von a. bis c. durch einen Preussischen Bundes-Commissarius, Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin inzwischen die Abgeordneten der anderen deutschen Staaten von b. bis c. durch die stimmführenden Bevollmächtigten dieser Staaten präsentirt. Sobald Ihre Kaiserlichen und Königlichen Majestäten bei c. zusammentreffen, finden die weiteren Vorstellungen in umgekehrter Weise statt.


Was den Anzug anlangt,

in welchem die betreffenden Personen bei den obgedachten Präsentationen zu erscheinen haben, so richtet sich derselbe nach der Tageszeit, zu welcher die Audienz stattfindet, und danach, ob der Hof Trauer trägt, oder nicht, und wird jedesmal besonders befohlen.

So war es schon zu König Friedrich's I. Zeit. Ehe es aufkam, dass Hof- und Staatsbeamte, welche nicht dem Militairstande angehörten, Uniform trugen, war für die Herren nach damaliger Sitte das Hofkleid, welches sich nach dem Range der Person im Stoffe und in der Stickerei unterschied, die allgemein vorgeschriebene Tracht (Vergl. v. Rohr, Einleitung zur Ceremonial-Wissenschaft. Berlin 1729. Pag. 26.). Zu dem gestickten Rocke gehörten noch ein kurzes Beinkleid, seidene Strümpfe, Schuhe mit Schnallen, sowie Degen und Federhut. An vielen deutschen Höfen ist man bekanntlich erst in neuester Zeit hiervon abgegangen, und bei Bällen wurden noch vor 50 Jahren auch am Preussischen Hofe selbst von den Offizieren (mit alleiniger Ausnahme der Husaren-Offiziere) Escarpins getragen. Gegenwärtig haben alle Hof- und Staatsbeamte bestimmt vorgeschriebene Uniformen, welche von den betreffenden Personen bei Hofe jederzeit auch zu tragen sind. Da seit dem Jahre 1848 nicht selten hiergegen gefehlt wurde, so ist unter dem 11. Januar 1851 die in der Beilage A. mitgetheilte Bestimmung ergangen.

In Betreff der Uniformen der zum Hofstaate Ihrer Königlichen Majestäten gehörenden Personen sind mittelst Allerhöchster Cabinets-Ordres vom 4. September und 18. Dezember 1861 mehrfache Bestimmungen und Abänderungen getroffen worden, welche[7] in der Beilage B. zusammengestellt sind und mit dem Bemerken mitgetheilt werden, dass die zu besserer Veranschaulichung angefertigten Zeichnungen im Königlichen Hofmarschallamte zur Ansicht bereit liegen. Wegen der Uniformen der Civilbeamten, wie sie durch die Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 10. Juni 1817 und durch spätere ergänzende Erlasse, abgedruckt in:


Ergänzungen und Erläuterungen der Preussischen Rechtsbücher durch Gesetzgebung und Wissenschaft. Unter Benutzung der Acten Eines Hohen Justiz-Ministerii und der Gesetz-Revisions-Arbeiten herausgegeben von H. Gräff, C.F. Koch, L.v. Rönne, H. Simon und A. Wentzel. Breslau 1839. Erster Theil, dritte Abtheilung, p. 256 seq.


festgestellt wurden, sind abändernde Bestimmungen durch die Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 6. September 1861 ergangen, welche in der Beilage C. abgedruckt ist. Uebrigens gewährt auch das im Jahre 1864 zu Berlin erschienene Buch von A. Sander, betitelt:


Die Uniformen der Königlich Preussischen Hof- und Staatsbeamten. Nach den neuesten Allerhöchsten Bestimmungen und Vorschriften systematisch zusammengestellt,


hierüber vollständigen Aufschluss.

Ueber die an den ritterschaftlichen Uniformen in den Provinzen Schleswig-Holstein, Hannover und Hessen-Nassau vorzunehmenden Abänderungen enthält die in der Beilage D. mitgetheilte Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 10. October 1870 die nöthigen Fingerzeige.

Weitere Allerhöchste Bestimmungen, betreffend die Uniformen der Inhaber der Erbämter in den durch das Gesetz vom 20. September 1866 mit der Monarchie vereinigten Landestheilen, so wie der Obersten Hofchargen und derjenigen Ober-Hofchargen, welche das Prädicat »Excellenz« führen, sind durch die Allerhöchsten Cabinets-Ordres beziehungsweise vom 27. December 1871, Beilage E., und vom 6. Juli 1876, Beilage F., ergangen.

Für die aus dem Königlichen Dienste geschiedenen Civilbeamten gelten in Betreff des ferneren Tragens der Civil-Uniform die Bestimmungen der in der Beilage G. abgedruckten Allerhöchsten Cabinets-Ordre vom 14. August 1846.

Das Hofkleid (habit habillé), welches zu Anfang des Jahres 1869 sogar in England definitiv abgeschafft und an den übrigen[8] Höfen schon seit längerer Zeit ausser Gebrauch gekommen ist, wird bei uns nur noch in schwarzer Farbe zu den Amtstrachten getragen, weiche dergleichen erheischen, wie z.B. die Amtstracht des Rector Magnificus.

In neuerer Zeit ist den Mitgliedern des Herren- und des Abgeordnetenhauses, welche sich in diesem Falle befinden, gestattet worden, in schwarzem Frack, schwarzen Pantalons, weisser Cravatte, weissen oder paillegelben Handschuhen und schwarzem runden Hut zu Hofe zu kommen.

Im Jahre 1865 ist zur Herbeiführung einer Uebereinstimmung mit dem Hofanzuge der uniformirten Herren befohlen worden, dass auch diejenigen Herren, welche durch ihre Geburt befugt sind, bei einer Cour zu erscheinen, aber denen weder das Recht zum Tragen einer Civil- (Dienst-) oder Militair-Uniform, oder eines Talars, oder einer Stifts- resp. Ordenstracht, oder einer ritterschaftlichen Uniform zusteht, einen blauen Frack mit einer Reihe vergoldeter Knöpfe und mit Goldeinfassung am Stehkragen, an den Aermel-und Taschen-Aufschlägen, ferner weisse, (event. blaue), mit schmaler Goldborte besetzte Pantalons, dreieckigen Hut (aber ohne Goldborte) mit schwarzer Feder und Degen bei Hofe anlegen dürfen.

Für Söhne des mit Grundbesitz angesessenen Adels, welche nicht berechtigt sind, eine Hof-, Civil-oder Militair-Uniform zu tragen, kann der Vater bei Seiner Majestät die Erlaubniss zur Anlegung der betreffenden ritterschaftlichen Uniform nachsuchen.

Was das Tragen der Orden anlangt, so sind hierfür die im Jahre 1865 an den Ober-Ceremonienmeister ergangenen Allerhöchsten Bestimmungen maassgebend, welche in Beilage H. abgedruckt sind.

Die in Beilage J. mitgetheilte Allerhöchste Cabinets-Ordre vom 4. December 1871 bestimmt, in welcher Reihenfolge die im Knopfloch (an der Schnalle) zu tragenden Preussischen Orden, Ehrenzeichen und Denkmünzen rangirt werden sollen.

Hinsichtlich des Anzuges der Damen muss, abgesehen von den besonderen diesfälligen Bestimmungen bei Hoftrauer, in Betreff welcher auf das Trauer-Reglement verwiesen wird, bemerkt werden, dass zu grosser Gala, d.h. zur Schleppe, die Beibehaltung der Barbe als Kopfputz, altem Herkommen zufolge, nothwendig erscheint.[9]

Wie bei grossen Hof-Couren die Schleppe getragen wird, d.h. wann man sie aufnimmt, und wann man sie fallen lässt, ob der rechte Handschuh auszuziehen ist u.s.w., darüber werden die betreffenden Damen wohl erforderlichen Falles zuvor bei der Ober-Hofmeisterin Ihrer Majestät der Königin nähere Erkundigungen einzuziehen nicht verabsäumen; denn auch dies hat nach der Eigentümlichkeit der verschiedenen Veranlassungen: Vorstellung, Sprech-Cour, Defilir-Cour, eine Abstufung.

Zu beklagen ist, dass die von Ihrer Königlichen Hoheit der Hochseligen Prinzessin Marianne, Gemahlin weiland Seiner Königlichen Hoheit des Prinzen Wilhelm von Preussen (Onkels Seiner jetzt regieren den Majestät), schon im Jahre 1816 unternommenen Schritte zur Einführung einer deutschen weiblichen Nationaltracht von so geringem Erfolge gekrönt gewesen sind. Dem täglich zunehmenden Kleiderluxus unserer Zeit liesse sich ein schützender Damm entgegenstellen, wenn die Hoftracht unserer Frauen auf eine bestimmte unveränderliche Form und Farbe beschränkt werden könnte, wie dies an einzelnen anderen Höfen der Fall ist.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 6-10.
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