Beilage H.

[18] Grundsätze,

das Tragen der Orden betreffend.

§. 1.


Der Rang der hohen fürstlichen Häuser ist für den Rang des Ordens entscheidend. Der Rang der verschiedenen Orden unter sich steht in den einzelnen Ländern, wo ein Land mehrere Orden hat, statutenmässig fest.


§. 2.


Für den Unterthan ist der Orden des eigenen Landesherrn der erste und wird bei allen Gelegenheiten an erster Stelle getragen. Diesem folgen die fremdherrlichen Orden nach dem Range der fürstlichen Häuser und nach dem Klassenverhältnisse, so, dass die Grosskreuze vor den Commandeurkreuzen getragen werden.


§. 3.


Besitzt ein Unterthan blos einen Stern zweiter Klasse seines Landes, so trägt er nur bei Anwesenheit des fremden Souverains, dessen Grosskreuz er besitzt, dieses über jenem Stern.


§. 4.


Wenn an dem eigenen Hofe ein fremder Souverain anwesend ist, so wird dessen Ordensstern nach dem des eigenen Landesherrn von Unterthanen zunächst getragen; jedoch hat das Band des fremden Ordens den Vorrang. Dieses geschieht auch in den Fällen, wo vielleicht an einem Hofe das Geburtsfest eines andern befreundeten verwandten, aber nicht anwesenden Landesherrn, gefeiert wird. – Bei Anwesenheit nachgeborener Prinzen und Prinzessinnen regierender Häuser ist das Tragen der Orden dieser letzteren selbstverständlich.


§. 5.


Bei grösseren fürstlichen Vereinigungen trägt man in erster Linie den Orden seines eigenen Landes, und folgt diesem der des Herrn, wo die Vereinigung ist, wenn nicht etwa Kaiserliche oder Königliche Majestäten anwesend sind, in welchem Falle deren Orden vor jenen getragen werden. Die Orden der anwesenden sonstigen Monarchen werden eventuell nach dem Range getragen. Eine Ausnahme tritt ein, wenn der eigene Landesherr wegen besonderer Beziehungen befiehlt, welcher Orden den Vorrang haben soll.


§. 6.


Wenn man an Galatagen, oder aus sonstiger Veranlassung, fremde Orden anlegt, ohne dass fremde Souveraine oder nachgeborene Prinzen oder Prinzessinnen anwesend sind, so ist die Wahl nach dem Range der Staaten zu treffen, wenn nicht eine besondere Veranlassung diese Wahl bestimmt.
[19]

§. 7.


Selbst in Abwesenheit des eigenen Souverains trägt man an fremden Höfen stets den Orden des eigenen Landes an erster Stelle, dem der des Souverains, an dessen Hofe man sich befindet, folgt, und fügt diesen eventuell den des Hauses der Gemahlin bei, und folgen eintretenden Falles die Orden der sonst etwa anwesenden Souveraine nach dem Range (s. §. 5).


§. 8.


Diplomaten tragen auch an dem Hofe, wo sie beglaubigt sind, den Orden des eigenen Landes an erster Stelle (jedoch mit Hinweisung auf §. 3), und diesem folgt der Orden des Hofes, an welchem sie sich befinden. Dasselbe gilt für Landes-Angehörige, welche fremde Höfe besuchen.


§. 9.


Was die Damen anlangt, so tragen dieselben entweder den Luisen-, oder einen Stifts-Orden, vorab den vom Heiligen Grabe, oder einen auswärtigen Damen-Orden, von denen hier vorzukommen pflegen: der Malteser-Orden, der Oesterreichische Sternkreuz-Orden, der Spanische Orden der Königin Marie Luise, der Portugiesische Orden der heiligen Isabella, der Russische St. Catharinen-Orden und der Bayerische Theresien-Orden. Das Ordenszeichen wird entweder an einer Schleife auf der linken Schulter getragen, oder an einem von der rechten Schulter nach der linken Hüfte gehenden grand cordon. Einige Orden (z.B. der vom Heiligen Grabe und der Russische St. Catharinen-Orden) haben ausserdem auch noch einen Stern, welcher auf der linken Brust getragen wird. Da, wo nicht eine besondere Ordensvorschrift bestimmt, wann man das Ordenszeichen überhaupt und event. das dazu gehörige grosso Band und den Stern anzulegen habe, richtet sich im Allgemeinen das Tragen der Orden nach dem Grade der Festlichkeiten, bei welchen man erscheint, und kann es Feste geben, wobei Damen in eleganter Morgentoilette, d.h. in hohem Kleide erscheinen und dazu dennoch wenigstens das Ordenszeichen an der Schleife auf der linken Schulter tragen.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 18-20.
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