Beilage 1.

[9] Feierliche Ausstellung

der Leiche Sr. Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. im Paradesarge zu Sanssouci am 4., 5. und 6. Januar 1861.

Nachdem in der Nacht vom 3. zum 4. Januar 1861 die betreffenden Räume in Sanssouci zu der auf den 4., 5. und 6. Januar für die Zeit Vormittags von 9 -12 und Nachmittags von 2–5 Uhr festgesetzten feierlichen Ausstellung der Königlichen Leiche eingerichtet worden waren, wurden dieselben am 4. Januar Morgens um 9 Uhr dem Publicum erschlossen. Ein tiefer Schneefall hatte die Wege nach und in Sanssouci fast unfahrbar gemacht, von den Fusswegen hatte man den Schnee entfernen lassen. Der Zutritt fand über die sogenannte Wacht-Rampe beim Kastellansgebäude statt und wurde nur solchen Personen gewährt, welche in voller Trauerkleidung oder in Uniform mit Trauer erschienen waren. Der Eintritt in das Schloss erfolgte durch das nach den Colonnaden zu gelegene, unmittelbar vor dem Marmorsaale in der Mitte des Gebäudes befindliche hintere Vestibül. Im Marmorsaale war eine Trauerwache aufgestellt, deren rechter Flügel sich an den Eingang des rothen Zimmers lehnte, so dass sie mit dem Rücken gegen die unmittelbar auf die oberste Terrasse führenden drei grossen Glasthüren stand. Diese Trauerwache war am ersten Tage aus allen Infanterie-Truppentheilen der Potsdamer Garnison (1. Garde-Regiment z.F., Garde-Jäger-Bataillon, Lehr-Infanterie-Bataillon und Schul-Abtheilung mit der Fahne des ersten Bataillons 1. Garde-Regiments z.F.) zusammengesetzt. Die Stange der so eben gedachten Fahne ist in der Schlacht bei Gross-Görschen durch feindliche Kugeln zersplittert worden und wird jetzt durch eine silberne Spange zusammengehalten, welche die Inschrift des Schlachttages trägt – desselben Schlachttages, an welchem der Hochselige König als Kronprinz die Feuertaufe empfing und sich so exponirte, dass sein Vater ihn aus der Tirailleurlinie zurückholen lassen musste. Am zweiten Tage bestand die Trauerwache im Marmorsaale aus Mannschuften sämmtlicher Cavallerie-Regimenter der Potsdamer Garnison (Gardes du Corps, Garde-Husaren, 1. und 3. Garde Ulanen-Regiment mit der Standarte des Regiments der Gardes du Corps). Am dritten Tage versah die Garde-Unteroffizier-Compagnie (jetzige Schloss-Garde-Compagnie) den Trauer-Wachtdienst.

Aus dem Marmorsaal, neben welchem, für den Eintretenden, rechts das Zimmer gelegen ist, in dein der König gestorben war, wurde man links in das sogenannte rothe »Audienzzimmer« und von hier durch das »Conzertzimmer« Friedrichs des Grossen in das durch schwarze Bekleidung der Fenster, Spiegel und Wände, sowie des Fussbodens zu einer Chambre ardente umgewandelte »Vortragszimmer« geleitet, in welchem der Hochselige Monarch die täglichen Vorträge entgegenzunehmen pflegte. Es ist das ehemalige Schlaf- und Sterbezimmer[9] Friedrichs des Grossen. Dieses Zimmer, aus welchem man sämmtliche Möbel entfernt hatte, war so hergerichtet worden, dass die durch zwei Säulen von dem übrigen Räume getrennte Abtheilung, in welcher früher das Bett Friedrichs des Grossen stand, um einige Stufen erhöht und an den Wänden mit Ziersträuchern geschmückt war. Zwischen den Säulen erblickte man den Königlichen Thron, an dessen Rückwand Correggio's berühmtes Gemälde auf Seide, »das dornengekrönte Antlitz Christi«, befestigt war. Unter dem Throne stand der einfache, dem Anscheine nach nur mit schwarzer Holzbildhauer-Arbeit wenig verzierte schwarze Sarg, der sogenannte allgemeine Paradasarg. Zu jeder Seite desselben waren zwei mit brennenden Lichten besteckte, schwarz drapirte grosse Candelaber und zwischen denselben rechts und links je vier Tabourets aufgestellt, auf welchen die Reichs-Insignien ruhten. Den Boden der Empore bedeckte eine schwarze mit breiten Hermelinstreifen eingefasste Decke, und das niedrige Gerüst, auf welchem der Sarg stand, wurde durch eine violette mit Goldtressen und Hermelin besetzte Samtnetdecke verhüllt. Der Sarg war offen, die Königliche Leiche vollständig sichtbar. Der Hochselige Königliche Herr war mit der Uniform des 1. Garde-Regiments z.F. bekleidet. Auf den zusammengelegten Händen ruhte ein frischer Lorbeerkranz Auf der Brust des Königs bemerkte man den von dem blau emaillirten Bande des Hosenband-Ordens umgebenen Stern des Schwarzen Adler-Ordens, wie ihn schon König Friedrich I. getragen hat, und wie ihn gegenwärtig auch Seine Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz trägt. Es war dies derselbe Stern, welchen König Friedrich Wilhelm III getragen hatte, und welchem später das Band des Garter hinzugefügt worden war. Ueber dem Stern war die sogenannte Ordensschnalle befestigt. Dieselbe enthielt die vom Hochseligen Vater verliehene Original-Decoration des Eisernen Kreuzes, welche später in den Deckel des Sarkophags eingesenkt wurde, den rothen Adler-Orden 3. Klasse, den Russischen St. Georgen-Orden, die Kriegsdenkmünze 1813/14 und den Fürstlich Hohenzollernschen Hausorden. Die Züge des verewigten Monarchen zeigten dieselbe Milde und Duldung, die so oft an ihm wahrgenommen worden sind. Hinter jedem der schon gedachten acht Tabourets war ein Oberst resp. höherer Stabs-Offizier aufgestellt. Ausserdem versahen der Oberst-Truchsess Graf von Redern, als Oberste Hofcharge, sämmtliche anwesenden Ober-Hofchargen, General- und Flügel-Adjutanten abwechselnd in der Weise den Ehrendienst am Sarge, dass hinter dem Kopfende desselben ein General-Adjutant mit dem Reichspanier, rechts und links daneben je ein Flügel-Adjutant stand, während am Fussende des Sarges zwei Ober-Hofchargen aufgestellt waren. Auch der Kaiserlich Russische General-Adjutant Graf Adlerberg that abwechselnd mit den General-Adjutanten den Ehrendienst bei der Königlichen Leiche. Dieser gegenüber, im Zimmer selbst, standen als Ehrenposten zwei Obersten welche ebenfalls im Dienste abwechselten.

An den Säulen, zwischen denen die Stufen zu der Empore führten, waren zwei Kammerdiener des Königs (im braunen reich mit goldenen Tressen besetzten Galakleide) aufgestellt. An den Thüren standen abwechselnd Gardes, du Corps in den rothen Superwesten und Unteroffiziere der Garde-Unteroffizier-Compagnie; ausserdem Lakaien in Staatslivree.

Das Publikum durfte nicht vor der Leiche verweilen, hatte sich vielmehr langsam an derselben vorüber zu bewegen und entfernte sich dann nicht durch die Eingangszimmer, sondern durch eine kleine Thür, welche zur Bibliothek und auf den Flur zur Colonnade zurückführt.[10]

Am ersten Tage, Mittags um 12 Uhr, nachdem der Zutritt für das Publikum unterbrochen worden war, versammelten sich sämmtliche Mitglieder der Königlichen Familie zu einer gemeinsamen Andacht am Sarge. Dieser religiöse Art, welchem die gerade in Schloss Sanssouci befindlichen Personen bis zum geringsten Diener hinab beiwohnten, wurde so abgehalten, wie eine Hausandacht. Einem Choralgesang, geführt von einer kleinen Abtheilung des Domchors, welche hinter einem zur linken Seite des Sarges befindlichen Vorhange verdeckt aufgestellt war, folgte eine Ansprache des Ober-Hofpredigers Dr. Snethlage.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 9-11.
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