Beilage 2.

[11] Feierliche Ausstellung

der am 27. Juli 1810 von Hohenzieritz her in Berlin eingetroffenen Leiche Ihrer Majestät der Königin Luise in geschlossenem Paradesarge im Thronzimmer des Königlichen Schlosses zu Berlin in den Tagen vom 28. bis 30. Juli 1810.

In den Tagen vom 25.–27. Juli 1810 war die sterbliche Hülle Ihrer Majestät der Königin Luise von Hohenzieritz nach Berlin übergeführt worden.

Da die drückende Hitze, welche während dieser drei Tage geherrscht, so wie die Bewegung des Fahrens, der zum Behuf des Transports angewandten mineralischen Säuren ungeachtet, derartig auf die Leiche gewirkt hatten, dass sich Spuren der angehenden Auflösung zeigten, so konnte der ursprünglichen Intention, dem hiesigen Publicum den körperlichen Anblick der von demselben so herzlich geliebten und verehrten Königin auch im Tode noch zu gestatten, nicht Genüge geleistet werden, sondern statt dessen nur der Paradesarg, der die theuren Ueberreste einschloss, und auch dieser nur bis zum 30. Mittags, öffentlich ausgestellt bleiben.

Da nach dem neuen Trauer-Reglement kein Trauerzimmer schwarz drapirt werden soll, so war auch das zur Ausstellung der Königlichen Leiche bestimmte Thronzimmer im hiesigen Königlichen Schlosse undrapirt geblieben. Nur hatte man unmittelbar unter dem Thronhimmel eine Estrade errichtet. Diese bestand aus einem stufenförmigen, mit violettem Tuch belegten Untersatze, auf welchen die zur Trauerwache verordneten Hofchargen traten, und auf dem sechs grosse vergoldete Candelaber standen, welche brennende Kerzen zur nothwendigen Beleuchtung des verfinsterten Zimmers trugen.

Auf diesem Untersatze erhob sich ein um zwei Stufen erhöhter, mit einer violetten hermelinverbrämten Sammetdecke belegter Boden, auf welchem der Leichnam im verschlossenen Paradesarg ausgestellt war. Derselbe hatte eine sanft ausgeschweifte gefällige Form, war von Lindenholz gearbeitet und ganz mit schwarzem Sammet überzogen. Die Verzierungen und zwölf Handhaben von vergoldeter Bronce waren sehr geschmackvoll ausgeführt. Am Kopfende des Sarges links standen zwei Tabourets mit goldstoffenen Kissen, auf denen eine brillantene Königskrone und der brillantene Russische St. Katharinen-Orden ruhten.

Die Königlichen Commissarien für die Hohe Leiche hatten dem Eindruck, den der Ehrfurcht gebietende Anblick des Sarges, in welchem die allgeliebte Königin nun ruhte, auf das in die Trauerkammer eintretende Publicum machen musste, so sehr vertraut, dass sie, des würdevollsten, der Heiligkeit des Orts[12] angemessenen Betragens gewiss, nicht einmal eine Barriere oder andere Einschliessung für nöthig erachteten, und die Folge hat bewiesen, dass es derselben auch keinesweges bedurfte.

Einen grossen, wirklich erhabenen Eindruck machte eine zufällige Verzierung dieses Zimmers, nämlich eine Uhr, die dem Thron gegenüber stand. Auf einem Postamente von farbigem Marmor sah man eine weissmarmorne lebensgrosse Statue der Zeit, »einen ernsten, bärtigen, geflügelten Alten,« der mit der linken Hand eine goldene Sense zu schwingen im Begriffe ist und mit der rechten auf eine ihm zu Füssen liegende, mit einer Schlange umwundene goldene Kugel zeigt, auf welcher die Stunden des Tages eingeteilt sind. Hier erschien die Zeit in furchtbar ernster Gestalt; Dir gegenüber lag nun die edelste Blume, welche in ihrer vollen Schönheit von der unerbittlichen Sense hinweg gemäht worden war.

Ueber den Dienst bei der Königlichen Leiche war folgende Ansage ausgegeben worden:


Reglement

über den Dienst bei der Königlichen Leiche vom 27. Juli Abends bis zur Beisetzung im Dom.


Nach Ankunft der Königlichen Leiche im Schlosse bleiben die Nacht auf der einen Seite des Thronzimmers die Hofdamen und Kammerfrauen, auf der andern Seite 2 Kammerherren und 2 Majors und im Entrée 12 Unteroffiziere als Ehrenwache.

Am 28. Morgens um 8 Uhr versammelt sich der ganze Königliche Hofstaat, die Officianten und Livrée in dem Zimmer zunächst dem Garde du Corps-Saal, der Hofstaat zunächst dem Thronzimmer.


Um 3/4 auf 9 Uhr treten


1. der Ober-Hofmeister von Schilden, mit Marschallstab, an den Kopf des Sarges,

2. der Kammerherr Graf Brühl, mit Marschallstab, an den Fuss des Sarges, mit bedeckten Häuptern,

3. 2 Hofdamen und 2 Pagen zur Seite des Sarges.


Erstere wechseln sich mit dem Schlosshauptmann von Buch und Hofmarschall von Maltzahn, so wie die Damen unter sich alle Stunden ab.

Die Hohe Leiche steht Vormittags von 9 bis 12 Uhr, Nachmittags von 4 bis 7 Uhr en Parade.

Während dieser Stunden ist dem Publicum die Entrée erlaubt.

Dieses continuirt bis zum 31. Mittags.

Am 31.4 Nachmittags um 6 Uhr versammelt sich Alles zur Beisetzung im Dom, worüber das Weitere in einem besonderen Reglement enthalten.


Berlin, den 25. Juli 1810.


(gez.) von Buch. (gez.) von Maltzahn.

Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 11-13.
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