Beilage 10.

Das Krönungs-Mahl zu Königsberg

am 18. Januar 1701.

(Lünig Theatrum Ceremoniale Tom II. Pag. 107.)


Der grosse Saal über der Kirche, von 280 Fuss in der Länge, war zum Tafel-Gemach beschieden, und wie lang er immer ist, dennoch mit den schönsten Tapeten behangen. An dem Ober-Ende hatte man eine Estrade von 4 Fuss hoch für die Königl. Tafel, über der Tafel zween Himmel, und an den heyden Enden derselben unterschiedene Gradins oder Stuffen erhöhet, auff welchen die Fremden und die aus der Stadt dem Crönungs-Mahle zusahen. Der Boden der Estrade, wie imgleichen die Wand des gantzen Ganges, von den Königl. Gemächern biss zum Ess-Saale, war mit rothem Scharlach bekleidet; Und weilen es sich meistens biss 3 Uhr verspätet, bevor man zur Tafel gelangen können: So hatte man der im Winter zeitig hereinbrechenden Finsterniss vorzukommen, alle Vorhänge der Fenster zugezogen, und 24 Gueridons von 8 Fuss hoch, mit so viel Girandolen und iede von 18 weissen Wachs-Kertzen, auf der Estarde gesetzet; den übrigen Theil des Saales aber mit 60 Cronen erleuchtet, die in zweyen Reihen, und iede Crone mit 20 Wachs-Lichtern, die Länge herunter hiengen.

Das Mahl an sich war ungewöhnlich, und solte auch auf eine ungewöhnliche Weise bedienet werden. Sieben und zwantzig Cammer-Juncker und Officirer, bestehend aus Obristen-Lieutenants und Hauptleuten, und alle mit einander in reich chamerirten Röcken, solten die Speisen tragen; die 4 Marschalls-Stabe vor ihnen hergehen, und die Herolde, Hautbois, Paucken und Trompeten den Anfang dieses Aufzuges machen. Nach gegebenem Zeichen von Paucken und Trompeten, giengen die beyden Hof-Marschälle, der von Wensen und der Ober-Schenke von Grumbkow, mit obbenannter Svite nach der Königl. Küche; Und Ihre Majestäten hingegen nach dem Ess-Saale, von den Collegiis, den Ständen, und den Insignien begleitet, und von den beyden Herren Ober-Marschällen mit ihren Stäben angeführet.

König und Königin stellten sich unter die beyde Himmel, in der Mitte vor der Tafel, der Cron-Printz und der Printz Albrecht an das Ende zur Rechten, und Ihre Hoheit die Hertzogin von Curland, nebst dem Printz Christian Ludwig, an das Ende zur Lincken; wie sie hernachmahls auch sassen. Der Hr. Ober-Cämmerer, nebst den beyden Cammer-Herren, dem Connestabel, dem Reichs-Bannier, und den beyden Capitains von der Garde, stellten sich hinter den König; Die Hertzogin von Hollstein samt den beyden Ober-Hofmeisterinnen und dem Hn. Ober-Hofmeister von Bülau, stellten sich hinter die Königin. Die Herren Ober-Räthe mit den Insignien traten zur Rechten des Königes; Die Hof-Dames zur Lincken der Königin. Die Herren Land-Stände an das Ende der Tafel zur Rechten; und die Hof-Leute und die Collegia an das andere Ende zur Lincken; in welcher Stellung sie auch die gantze Mahlzeit über stehen blieben. Da im Gegentheil die andere Seite der Tafel[27] gantz frei behalten ward; theils für die Herren Marschälle, und die beyden Vorschneider; theils auch die Speisen desto ungehinderter auf und abzutragen.

Inmittelst dass sich alles dergestalt um die Tafel vertheilte, giengen die beyden Ober-Marschälle denen mit den Speisen biss an die Küche entgegen, und kamen nebst ihnen gleich darauf in folgender Ordnung in den Saal gezogen: Erstlich kamen die 4 Herolde zwey und zwey, hernach die Hautbois, und die beyden Chöre Paucker und Trompeter, die unter einander im Blasen abwechselten; dann die beyden Ober-Marschälle, dann die Hof-Marschälle: alle vier mit ihren Stäben in den Händen; und dann die Cammer-Juncker und Officirer mit den Essen: in starck vergoldetem Silber-Geschirr, und ungemein grossen Schüsseln. Die Herolde, Hautbois, Trompeter und Paucker blieben vor der Estrade in zweyen Linien, die Herren Marschälle traten herauf und nebst ihnen die Herren Cammer-Juncker und Officirer mit den Speisen: die im tragen ihre Hüte aufhatten; aber solche wieder abnahmen, so bald sie ihre Schüsseln auf die Tafel gesetzet.

Das Wasser zum waschen ward Ihren Majestäten, unter Anführung der 4 Marschalls-Stäbe, von den beyden Cammer-Herren dem Grafen von Blumenthal und dem jüngern von Tettau gebracht; und die Serviette zum Abtrucknen, von dem Hn. Ober-Cämmerer dem Könige, der Königin aber von der Hertzogin von Holstein überreichet. Die von dem Königl. Hause bekamen nicht Wasser, sondern nur nasse Servietten: Der Cron-Printz von seinem Hr. Ober-Hofmeister, und die drey andern von drey Titular-Cammer-Herren: nemlich Printz Albrecht von dem Hn. Cantzler von Bolschwing, die Hertzogin von Curland von dem Hn. von Creutz, und Printz Ludwig von dem Hn. von Ostau. Darauf traten die Herren Marschälle vor die Tafel, die beyden Ober-Marschälle vorn, und die Hof-Marschälle hinter ihnen etwas zur Seiten; Und nahmen den Hn. Consecrator Ursinum zwischen sich ein, der die Speisen durch das Gebeth segnete.

Ihre Majestäten liessen sich mit ihren Cronen auf dem Haupt und ihrem gantzen Königl. Ornat nieder; nur dass der König seinen Scepter an den hinter ihm stehenden ersten Cammer-Herrn, den Grafen von Dohna zu halten gegeben hatte. Zween würckliche Cammer-Herren, der Hr. Obriste von Groote und der Hr. von Bären, schnitten vor, und brachten die Speisen für den König an den Hn. Ober-Cämmerer, für die Königin an die Hertzogin von Holstein, und für den Cron-Printzen an seinen Hn. Ober-Hofmeister; Ihre Hoheiten die Printzen und die Hertzogin von Curland aber, empfiengen solche aus den Händen der beyden vorschneidenden Cammer-Herren, und zwar noch mit diesem Unterschiede, dass man ihnen, wie ungleichen dem Cron-Printzen, nur auf vergüldeten, Ihren Majestäten aber auf Massiv-güldenen Tellern vorlegte; Und dass diese güldene Teller, wenn Ihre Majestäten sie nicht annahmen, nicht weiter an die andern herum präsentiret, sondern mit all weggegeben wurden.

Bey dem Trinken ward ebenfalls eine sonderliche Solennität beobachtet. Ein Cammer-Juncker brachte das Glass für den König an den die Aufwartung habenden Cammer-Herren, und der Hr. Ober-Cämmerer, nachdem er es von demselben zu sich genommen und credenzet, überreichte solches an Se. Majestät den König. Für die Königin brachte das Glass ein Cammer-Juncker an das Cammer-Fräulein von Pelnitz, diese gab es an die Frau Ober-Hofmeisterin von Steenland, und diese an Ihre Durchl. die Hertzogin von Holstein, die es credenzte und Ihrer Maj. der Königin einhändigte. Dem Cron-Printzen schenkte[28] sein Ober-Hofmeister, der das Glass von einem Titular-Cammer-Herrn, und dieser von einem Hof-Juncker empfing; Und denen übrigen vom Königl. Hause schenckten die oberwehnte drey Titular-Cammer-Herren, denen eben so wohl, als wie demjenigen bey dem Cron-Printzen, jedem ein Hof-Juncker die Gläser überbrachte. Alle die Gänge, deren viere waren, wurden mit gleichen Ceremonien serviret und aufgetragen; bey dem ersten aber giengen die beyden Hof-Marschälle, mit ihren Stäben in der Hand und im Gefolge einiger Hof-Cavaliere, nach dem Stall-Platze, und holten ein Stück von dem daselbst gebratenen gantzen Ochsen; welches der Ober-Marschall Graf von Lottum Sr. Majestät überlieferte.

Ausser dem Ochsen, der mit allerhand kleinern Thieren, Schafen, Rehen, Ferckeln, Hünern, Gänsen, wie auch Feder-Wildpret gefüllet war, und schon seit einigen Tagen an einem höltzern Spiess, oder vielmehr einem Balcken, gebraten worden; stunden zugleich auf beyden Seiten zwey grosse Wein-Brunnen in Form zweyer Adler, des Preussischen und des Brandenburgischen, deren jener weissen, und dieser rothen Wein, aus seinem Schnabel hernachmahls lauffen liess. Sobald die Herren Marschälle das Stück von dem Ochsen geschnitten, ward beydes die Küche mit dem Ochsen, als auch der Wein, Preiss gegeben; Und gleich wie durch diesen mit allerhand Thieren gefülleten Ochsen nicht anders denn Sr. Majestät sich über alles erstreckende Herrschafft, und ihr Uberfluss angedeutet ward: Also konte durch diese Preissgebung hingegen, beydes des Ochsens und des Weines, wie auch durch die vorhin vorgenommene Ausstreuung der Gold- und silbernen Müntzen, nichts anders denn Sr. Majestät Königl. Wohlthätigkeit angezeiget werden: Krafft welcher sie alle Wohlfarth, die sie besitzen, mit ihren Unterthanen gemein zu haben, und ihnen mildigst mitzutheilen gewillet. Wie sie dann solches noch deutlicher kund zu machen, an statt dass bey andern Crönungen diese Preiss-gebung erst nach der Könige Tafel zu geschehen pfleget, solche bald in dem Anfang der Ihrigen vor sich gehen lassen wollen: gleich als wenn zu derselben Zeit, da Sie über Dero Crone das Freuden-Mahl halten, auch Dero Unterthanen es empfinden, und nicht sonder Ergötzung verbleiben müssen.

Bey jedem Trunck, den Ihre Majestäten thaten, wurden 9 halbe Carthaunen, und wenn Ihre Hoheiten truncken, für den Cron-Printzen 6 und für die übrigen nur 3 Stücke jedesmahl gelöset. Die Tafel währete fast eine Stunde, und nachdem sie endlich aufgehoben, das Waschen wie vorhin verrichtet, und das Dancket dem HErrn von dem Hn. Consecrator gesprochen worden; nahmen Se. Majestät der König ihren Scepter wieder zu sich, und begaben sich in voriger Ordnung wieder in Dero Palast: Nur dass diesmahl die beyden Herren Hof-Marschälle vor den Collegiis und Ständen vorher giengen. Der König begleitete die Königin in Dero Gemach. Se. Majestät aber selbst wurden von dem gantzen Aufzuge biss an Dero Audienz-Saal begleitet, von dannen, als die Herren Ober-Räthe ihre Insignien auf dem Tische vor dem Throne wieder hingeleget, und der Hr. Graf von Dohna das Reichs-Bannier weggesetzet, sie alle zusammen sich nach dem grossen Saale zurück verfügten, und daselbst, wie auch in den Neben-Gemächern, nebst dem gantzen Hofe an mehr denn 20 Tafeln, unter der Modulation allerhand lieblicher Instrumental- und Vocal-Musicken, auf das prächtigste, und aus lauter Silber bewirthet wurden.

Fußnoten

1 Bei Ihren Majestäten dem Könige und der Königin, so wie bei denjenigen Prinzen und Prinzessinnen des Königlichen Hauses, welche gleichfalls je zwei Leibpagen haben, verrichten diese den Dienst des Servirens bei ihren betreffenden Herrschaften, während denjenigen Prinzen und Prinzessinnen, welche keine Leibpagen besitzen, je eine Hofpage für diesen Dienst zugetheilt wird.


Quelle:
Stillfried-Alcántara, Rudolf von: Ceremonial-Buch für den Königlich Preußischen Hof I. - XII. Berlin 1877, S. 25-29.
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