D. Gegen Niedrigerstehende, Untergebene, Dienstboten.

[55] 27. Niedrigerstehende betrachte vom christlichen Standpunkt aus mit dem Auge des Glaubens, das in ihnen das Ebenbild Gottes sieht, dann wirst Du sie auch mit christlicher Gesinnung behandeln und vor allem gegen sie das Gebot der Liebe beobachten.

28. Sei gegen sie besonders liebevoll; komm' ihnen höflich und freundlich entgegen und laß sie auf keine Weise fühlen, daß sie nicht in gleichem Maße zufällige zeitliche Vorteile besitzen. Hüte Dich aber vor zu großer Vertraulichkeit mit Niedrigen.

29. Vermeide dem Geringeren gegenüber ebensosehr übertriebene Höflichkeit, von der er weiß, daß sie ihm nicht gebührt, wie allzu große Herablassung, die drückend und beleidigend für ihn sein muß.[55]

30. Sei nicht barsch und herrisch gegen Deine Untergebenen; es gelte Dir mehr, wie einer ist, als was er ist; die Wehrlosigkeit seiner Untergebenen zu Uebergriffen gegen sie auszunützen, offenbart eine niedrige Gesinnung, und ein Freund von guten Sitten wird es sich stets angelegen sein lassen, mit seinen Untergebenen im besten Verhältnis zu leben.

31. Zu den Untergebenen gehören namentlich die Dienstboten. Die Grundlage für das gegenseitige Verhältnis zwischen Herrschaften und Dienstboten ist ebenfalls die christliche Nächstenliebe, wie sie der göttliche Heiland gelehrt hat.

32. Die Dienstboten sollen gleichsam wie Glieder der Familie betrachtet werden, die durch Dienstleistungen mit derselben verbunden sind und auf Nachsicht, Güte und wohlwollende Behandlung Anspruch haben. Nichts gewährt mehr Annehmlichkeit und Trost für einen Untergebenen, als eine wohlwollende Behandlung seitens seines Vorgesetzten.

33. Behandle sie deshalb mit Güte und Wohlwollen. Durch Stolz und Roheit machst Du Dich verhaßt, durch Güte und Leutseligkeit machst Du Dir aus Deinen Dienern die besten Freunde.

34. Sei sittlich besser, geschickter und weiser als Deine Dienstboten; Du wirst ihre Achtung nicht erringen, wenn sie sich schämen müssen, einem Herrn anzugehören, der von niemand geachtet ist.

35. Mißhandle Deine Dienstboten nicht.

36. Berechtigte, artig und bescheiden vorgebrachte Vorstellungen oder Beschwerden höre wohlwollend[56] und mit Aufmerksamkeit an und entsprich ihnen, wenn möglich.

37. Verlange nicht mehr von den Dienstboten, als sie leisten können; nimm Rücksicht auf ihren körperlichen Zustand und bezahle sie anständig und ihren Leistungen gemäß, damit sie Dich nicht betrügen müssen oder keine frohe Stunde haben.

38. Kümmere Dich ganz besonders auch um ihr geistliches Wohl, um ihr Seelenheil; gib ihnen selbst kein Aergernis, dulde auch nicht, daß sie etwas thun oder reden, was anderen zum Aergernis gereicht und den Geboten Gottes zuwider ist; gib ihnen genügend freie Zeit, damit sie ihren religiösen Pflichten nachkommen können und halte sie nötigenfalls dazu an.

39. Letzteres hat ganz besonders ein Lehrherr seinen Lehrlingen gegenüber zu beobachten. Er ist ihnen gegenüber der Stellvertreter Gottes und sowohl für ihr geistliches wie für ihr körperliches Wohl verantwortlich.

40. Zeige nicht Hochmut und Jähzorn gegen sie. Ein Dienstbote, der nie ein gutes Wort von seinem Herrn bekommt, wird nie ein treuer und guter Dienstbote sein.

41. Vor allem sei gerecht gegen sie und anerkenne ihre Leistungen, wo sie Anerkennung verdienen. Ziehe nicht den Schmeichler dem geraden, treuen und aufrichtigen Diener vor.

42. Ein wohlwollendes, ernsthaftes, sich immer gleichbleibendes Betragen gegen die Dienstboten, ebenso fern von steifem Hochmut, wie von zu großer Vertraulichkeit, gute, richtige, der Wichtigkeit[57] ihrer Dienstleistungen entsprechende Bezahlung, strenge Pünktlichkeit, Liebe und Freundlichkeit, weise Ueberlegung in Zuteilung der Arbeit, Aufmerksamkeit und Aufopferung des eignen Interesses, wenn man Gelegenheit hat, ihnen ein besseres Schicksal zu verschaffen, Sorgfalt für ihre Gesundheit und sittliche Aufführung, das sind die sichersten Mittel, gute, treue und liebevolle Diener zu erhalten.

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 55-58.
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