2. Benehmen des Gastgebers.

[140] 1. Der Gastgeber hat die Pflicht, die ankommenden Gäste freundlich zu empfangen, sie bis zum Beginn des Essens zu unterhalten, sie dann zu Tische zu führen und ihnen allenfalls die Plätze anzuweisen, und zwar einem hervorragenden Gaste den Ehrenplatz, der entweder zur Rechten des Hausherrn oder zur Linken der Hausfrau ist.

2. Zunächst muß der Hausherr auf die Bedienung achten und sorgen, daß jeder Gast von jeder Speise und jedem Getränke erhält, überhaupt aufs aufmerksamste und zuvorkommendste bedient werde.

3. Dabei darf er aber die Gäste nicht zum Essen nötigen, denn dies wäre unhöflich.

4. Umgekehrt darf er nicht von teuren Zeiten, von dem hohen Werte der aufgetragenen Speisen und ähnlichem sprechen. Darin würde für die Gäste eine versteckte Aufforderung liegen, nicht so viel zu essen.

5. Die Sorge des Hausherrn muß stets darauf gerichtet sein, die Gäste zuvorkommend und freundlich zu behandeln und zur Unterhaltung anzuregen; er muß die Unterhaltung aber auch überwachen, alles Unziemliche fern halten und ganz besonders zu verhüten suchen, daß der Stoff zur Unterhaltung auf Kosten der Nächstenliebe gewählt und durch allzu lose Unterhaltung das sittliche Gefühl der Anwesenden verletzt werde.

6 Der Hausherr zeige gegen alle Gäste ein unparteiisches, gleichmäßig freundliches Benehmen;[140] er behandle alle Gäste gleichmäßig, und nur, wenn eine höhere Persönlichkeit unter denselben ist, darf er diese besonders auszeichnen. Er hüte sich wohl, einem an Stand, Rang und Reichtum Niedrigerstehenden gegenüber eine hochmütige Miene anzunehmen. Eine gleichmäßige Behandlung aller Gäste ist der sicherste Beweis eines wahrhaft gebildeten Mannes.

7. Der Hausherr muß jede persönliche Stimmung und Neigung beherrschen und zu unterdrücken suchen; er sei weder mürrisch noch übellaunisch. Selbst den Aerger muß er unterdrücken, auch wenn er Grund dazu hätte, und muß allzeit freundlich und höflich sein, denn er gehört nicht sich selbst, sondern den geladenen Gästen. Also zeige er auch keine finstere Miene, wenn ein Gast das Unglück hat, etwas zu beschmutzen oder zu zerbrechen, zanke nicht mit den Dienern und gebe ihnen keine groben Worte.

Quelle:
Vogt, Franz: Anstandsbüchlein für das Volk. Donauwörth [1894] [Nachdruck Donauwörth 21987], S. 140-141.
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