Frühstücken Sie richtig?

[67] Die Schilderung im vorigen Abschnitt hat uns gezeigt, von wie großer Bedeutung die erste Stunde des Tages ist. Ein Lebenskünstler – das möchten wir doch alle sein – wird in diesen morgendlichen, besinnlichen Augenblicken ungeahnte Kräfte für den ganzen Tag sammeln. Der junge Morgen gehört uns. Daran wollen wir immer denken und freudig danach greifen. Von der Hoffnungsfreudigkeit, die er uns vermittelt, wollen wir ein gutes Stück mit in den Werkeltag hinübernehmen und daraus den Mut schöpfen, im unerbittlichen Kampf ums Dasein immer obenauf zu bleiben.

Der Morgen hat sein besonderes Gepräge. Er erscheint uns in einem glückverheißenden Licht, wenn wir ihn richtig sehen. Die Menschen pflegen den frühen Morgen allerdings sehr unterschiedlich zu betrachten, aber wir sollten uns trotz mancher Sorgen daran gewöhnen, ihn zuversichtlich und hoffnungsvoll mit Lachen und auch mit Singen zu empfangen. Dann wird er uns viel geben, was uns und auch denen zugute kommt, die um uns sind. Aber wir wollen nicht nur singen und lachen, sondern auch einige besinnliche Minuten uns selbst und dem widmen, was uns der beginnende Tag voraussichtlich bringen wird.

Seien Sie Lebenskünstler und Lebensgenießer! Legen Sie großen Wert auf das morgendliche Frühstück! Das ist sehr wichtig. Einmal, um Ihrer Gattin eine Freude zu machen, weiter, um gut gelaunt zu sein und schließlich, um Ihren Mitmenschen zu gefallen.

Eine Philosophin unsrer Tage hat einmal vorgeschlagen, alle jungen Menschen, die sich heiraten wollen, sollten zunächst einmal prüfen, ob sie auch die gleichgestimmten Frühstücksseelen[67] hätten. Man solle sich vorher darüber einigen, ob man morgens am liebsten überhaupt nicht spricht, sondern seine Zeitung oder seine Post liest oder ob man gerade sehr zum Reden aufgelegt ist. – Es können in der Tat zu leicht Unstimmigkeiten in Erscheinung treten, wenn der eine Teil, völlig ausgeschlafen, seine aktivste Stunde hat und die tiefgründigsten Probleme auf dem Tisch serviert, während der andre noch gar nicht bei sich selbst ist und nichts sehnlicher wünscht, als in Ruhe gelassen zu werden.

»Du hast wohl nicht gut geschlafen?« – fragt fürsorglich die Gattin. Und als Folge der Übersensibilität der morgendlichen Nerven ist das erste Signal der Verstimmung da, die dann vielleicht durch alle Stunden des ganzen Tages geschleppt wird.

Ein appetitanregender, weißgedeckter und einladender Frühstückstisch, vielleicht sogar mit einem Blütenstrauß geschmückt, ist ein Stück Poesie. Er ist nicht nur eine materielle, sondern auch eine ideelle Angelegenheit. – Die Viertelstunde, die wir am Frühstückstisch verbringen, soll ein Stück reiner Lebensfreude sein. Sie soll im Gegensatz zu der Hast stehen, zu der die Berufsarbeit oft zwingt. Und daß der Tag gerade mit dieser Viertelstunde beginnt, werden wir immer zu würdigen zu wissen.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 67-68.
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