Vom ersten Flirt bis zum Heiratsantrag

[90] Fast jedem Mädel schwebt als Abschluß der ersten Etappe ihres Lebens die Verlobung vor. So geht also ihr ganzes Streben dahin, einen guten, netten und lieben Mann zu finden, mit dem sie später eine recht harmonische Ehe zu leben hofft. So ist der wesentliche Grund der meisten Mädel für den Besuch von Tanzbelustigungen, Gesellschaften aller Art, Fünfuhrtees, Reisen usw. der, Bekanntschaften zu machen und zwar in der Hoffnung, bei einer dieser Gelegenheiten den »Zukünftigen« kennen zu lernen.

Beim Mann ist es anders. Er ist viel latenter, schwerfälliger und auch skeptischer. Er, der dem Mädel gegenüber eigentlich aktiv sein sollte, ist in dieser Hinsicht meist recht passiv. Sehr zum Kummer manchen Mädels.

Das zeigt sich ganz im besonderen bei der gemeinsamen Unterhaltung, deren Führung manche Frau schnell an sich reißt, obgleich sie dem Manne zukommt. Diese Zurückhaltung des jungen Mannes hält auch meist bei dem noch ziemlich oberflächlichen Flirt an und schwindet meist erst dann, wenn der Jüngling so richtig verliebt ist und nun um Ausdrücke und Kosenamen nicht mehr verlegen ist, die die Liebe in so reichem Maße erfunden hat.

Natürlich sind die Männer in dieser Hinsicht durchaus unterschiedlich. Es gibt auch solche, die eine Frau vom ersten Augenblick an sehr anregend unterhalten können. Das ist zum Teil Begabung, zum Teil Übung und Routine. Es sind Männer darunter, von denen der Volksmund sagt, sie hätten eine »Riesenklappe«. Bei ihnen kommt es meist mehr auf Quantität als auf Qualität ihrer Worte an. Sie glauben, damit dem Mädel imponieren zu können, erreichen aber häufig das Gegenteil. Solch ein Angeber gleicht oft einem leeren Topf. Wenn man daran klopft, klingt er hohl. Das Richtige liegt auch hier in der Mitte. Wer das Herz eines Mädels gewinnen[90] möchte, muß nett plaudern und unterhalten können, sonst muß er mit der Möglichkeit rechnen, bald abserviert zu werden.


Vom ersten Flirt bis zum Heiratsantrag

Brief und Unterhaltung haben gemeinsam, daß der Anfang meist am schwierigsten ist. Geistesgegenwärtige und schlagfertige Menschen werden in dieser Hinsicht keine Hemmungen haben, aber die vielen andern! – Wie soll man also eine Unterhaltung einleiten? – Welche Themen soll man anschneiden? – Soll man lustig oder ernst sein? – Nun, solche Fragen können natürlich nur von Fall zu Fall beantwortet werden. Die Schwierigkeit der Unterhaltung bei ganz neuen Bekanntschaften liegt zunächst einmal in einer natürlichen beiderseitigen Zurückhaltung, weiter darin, daß man fast keine geistigen Berührungspunkte hat. Manche Anknüpfungsgelegenheiten sind darum nicht zu empfehlen, weil sie infolge allzu häufigen Gebrauchs reichlich abgegriffen sind. Wenn z.B. der Mann in der Eisenbahn seine Unterhaltung damit beginnt, daß man vielleicht das Fenster öffnen könne, daß draußen die Luft so schön sei, daß es wohl keinen Regen geben würde usw., so wird die ihm gegenübersitzende Maid innerlich lächeln. – Wenn das Mädel an einem Tisch der Gaststätte die eingeschlafene Unterhaltung mit der Feststellung wieder anzukurbeln versucht, daß der Raum schön hoch sei oder daß das Muster der Tischdecken dem der Fenstervorhänge gleiche, so wird der Erfolg nur recht kurzfristig sein.

Wie Unterhaltungen zwischen Männlein und Weiblein mündlich oder schriftlich am besten eingeleitet und fortgeführt werden, lehrt das Buch des gleichen Verfassers: »So schreib' ich's meinem Schatz!«, das im gleichen Verlag erschienen ist. Es wird darin in einer ganz neuartigen Weise, nämlich in unterhaltender, ja sogar spannender und doch zugleich praktischer Form alles das eingehend besprochen, was junge Menschen im Stadium der Liebe beachten sollten, um Erfolge zu erringen und zu sichern.

Der Mann kann das Mädel seines Schicksals in lustiger Gesellschaft, beim Tanz, beim Sport, auf einer Wanderung, in der Sommerfrische, in der Eisenbahn, im Beruf, auf einem Spaziergang usw. kennen lernen. Nicht immer verfügt[91] er über die erforderliche Entschlußkraft, die Bekanntschaft einzufädeln oder fortzusetzen. Da entsteht manchmal eine Lücke, die für den ganzen späteren Lebensweg zweier Menschen von entscheidender Bedeutung ist. Zweifellos besteht eine gewisse Scheu gegenüber dem andern Geschlecht, die in den Jünglingsjahren meist am stärksten ist. Aber auch solch eine Scheu läßt sich überwinden, wenn man sich ernstlich bemüht, und wenn sich der Jüngling immer vor Augen hält, daß er doch ein Mann ist, zum mindesten, daß er als solcher erscheinen möchte.

Vielleicht tragen die folgenden Winke dazu bei, anfängliche Hemmungen zu beseitigen.

Wer sich einem Mädel nähern möchte, suche zunächst einmal in geeigneter Form zu ergründen, ob dieser Wunsch auf Gegenseitigkeit beruht. Das kann man beispielsweise schon aus der Erwiderung des Grußes oder bei dem kurzen Wechsel einiger belangloser Worte feststellen. Aber nicht immer. Man muß auch da mit einer Scheu des Mädels rechnen, was übrigens ganz gewiß kein ungünstiges Zeichen ist. An sich trägt eine Frau ihr Gefühlsleben viel mehr zur Schau, als der Mann, aber im allerersten Stadium der Zuneigung ist das oft nicht der Fall. Glaubt nun der junge Kavalier auf »gut Wetter« rechnen zu können, hat er es schon viel leichter.

Nun also kann man sich, wie es in dem genannten Buch im einzelnen beschrieben ist, an einer Straßenecke, in einer Konditorei, in einem Kaffeegarten, zu einem gemeinsamen Spaziergang, zu einer Kd F.-Fahrt oder auch im Theater treffen.

In solchen Fällen wird die Einleitung des ersten Gesprächs keine Schwierigkeiten machen. Aber – es läuft sich bald tot. Schon stockt der Jüngling. Wie soll die Unterhaltung nun weitergehen? – Da empfiehlt es sich schon, sich vor dem Zusammentreffen einige Themen auszudenken und einzuprägen, die man nun der Reihe nach starten lassen kann. Aber auch da können sich in der Praxis Mißerfolge einstellen. Dann geht es einem wie jenem Redner, der seine Rede zu Haus so glänzend beherrschte und nun vor den Menschen egal stecken bleibt. Gerade für Menschen, die das erste Stadium der Liebe absolvieren, wie[92] überhaupt für jede Art der Unterhaltung ist ein gutes Gedächtnis von unschätzbarem Wert. Wer sich ein solches schnell und nahezu mühelos erwerben möchte, dem sei das kleine lustige Buch der Gedächtnisschulung aus der Sammlung »In der Westentasche«1 empfohlen, das den Titel trägt »Köppchen – Köppchen!« und nebenbei gesagt nur dreißig Pfennig kostet.

Der Jüngling, der auf dem besten Wege ist, sich zu verlieben und seine Wünsche recht bald verwirklicht sehen möchte, sollte immer daran denken, daß eine lebhafte Unterhaltung die Entwicklung wesentlich fördert. Er wird also am meisten dazu neigen, Themen anzuschneiden, die ihm persönlich am besten liegen. Damit kann er Glück aber auch Pech haben. Wenn beispielsweise ein Dreher lange Zeit von den Einzelheiten seiner beruflichen Arbeit redet, so wird er damit rechnen müssen, daß sich die Angebetete zu Tode langweilt. – Wenn er in einem Herbarium seltene Pflanzen sammelt, sollte er davon höchstens dann sprechen, wenn das Mädel zufällig das gleiche Interesse hat. So scheiden also eine ganze Menge Themen, über die er lebhaft und umfassend plaudern könnte, von vornherein aus, das heißt, streifen kann er sie alle, das langweilt noch nicht.

Menschen, die im ersten Stadium ihrer gegenseitigen Zuneigung zusammen sind, werden sich meist verstellen, um – wie der Volksmund sagt – einen guten Eindruck zu schinden. Das ist durchaus verständlich und darum verzeihlich. Sie werden sich bei jedem Wort, das sie sprechen, Mühe geben, ihre etwaigen Schwächen zu verdecken und ihre Stärken ins Treffen zu führen, um in jeder Beziehung zu gefallen oder auch zu imponieren. Das ist also, wenn es in nicht zu krasser Form geschieht, durchaus tragbar. Macht man es aber ungeschickt, so läuft man Gefahr, sich lächerlich zu machen. Man sollte auch nicht übersehen, daß es bei allzu großen Übertreibungen in späterer Zeit zu Vorhaltungen kommen könnte, die auf das erste Zusammentreffen anspielen und peinlich werden könnten, weil alles so anders gekommen ist, als man damals anzunehmen berechtigt war.

Da ist es also schon besser, nicht Theater zu spielen. Wer[93] sich echt und natürlich gibt, wird im allgemeinen auch auf dem Gebiet der Liebe erfolgreich sein.

Hat sich der junge Kavalier nun so weit durchgerungen, daß er auf eine Erwiderung seiner Liebe rechnen kann, dann sieht er sich vor der neuen Aufgabe, seinen Heiratsantrag im richtigen Augenblick, bei passendster Gelegenheit und in richtiger Form anzubringen.

Das ist nun eine reine Herzensangelegenheit, bei der der Verstand ziemlich ausgeschaltet ist. Es ist erstaunlich und kaum glaubhaft, eine wie große Befangenheit so manchen jungen Mann beherrscht, wenn er dem Mädel seines Herzens seine große Liebe gestehen und ihre Hand fürs Leben erbitten möchte. – Manche wählen dazu den schriftlichen Weg. Auch in solchem Falle wird ihm das erwähnte Buch »So schreib' ich's meinem Schatz!« viele Anregungen und Fingerzeige geben.

Wer seinen Heiratsantrag mündlich vorbringen möchte, sehe unbedingt davon ab, sich etwa vorher im stillen Stübchen einen bestimmten Wortlaut einzuprägen und mit entsprechendem Tonfall einzustudieren. Er wird viel klüger tun, auf eine passende Gelegenheit zu warten, um seine dann aus dem Augenblick geborene Eingebung starten zu lassen. Bei einiger Gewandtheit wird er die Unterhaltung so zu leiten verstehen, daß sich ihm eine günstige Gelegenheit bietet, mit seinem Heiratsantrag herauszukommen. Schlimm ist es allerdings, wenn der junge Kavalier in dem betreffenden Augenblick doch »Angst vor der eigenen Kurage« bekommt und abstoppt. Die Mädel sind nämlich gerade in diesen Dingen sehr helle. Wenn das Mädel merkt, und sie merkt es sehr schnell, daß der junge Mann zum Heiratsantrag startet und plötzlich das Rennen aufgibt, dann spielt der Kavalier in ihren Augen eine Rolle, die sich keiner wünschen wird.

Nun gehört aber wirklich nicht viel Mut dazu, einen Heiratsantrag in richtiger Form anzubringen. Vor allem dann nicht, wenn man schon vorher des Erfolges sozusagen sicher ist. Wer selbstbewußt und innerlich überzeugt das richtige Wort findet, der wird auch Erfolg und mit seinem Mädel Glück haben, was wir ihm von ganzem Herzen wünschen.

Fußnoten

1 Verlag G. Danner, Mühlhausen i. Thür.


Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941.
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