5. Nur der saubere Mensch wirkt sympathisch

[19] Was nützt der kostbarste und eleganteste Anzug, wenn ein Mensch darin steckt, der unsauber wirkt! – Es läßt sich leider nicht verhehlen, daß es immer noch Männer und Frauen gibt, die glänzend »in Schale« einher gehen, aber doch einen unsauberen Eindruck machen. Ohne Einzelheiten festzustellen, hat in solchem Fall der Betrachtende schnell den umfassenden Eindruck: elegant aber unsauber.

Dazu eine kleine Illustration in Worten:

– – und nach dem Vorbeimarsch geht der besichtigende Kommandeur die Front des Bataillons ab. Plötzlich bleibt er vor einem Mann stehn und erklärt den ihm folgenden Offizieren, daß der Mann schmutzige Wäsche trage. Höchst verblüfft sehen sich die Offiziere gegenseitig an, und als der Kommandeur den Mann aus dem Glied treten läßt und ihm den Befehl erteilt, abseits zu treten, um seinen Waffenrock auszuziehen, lächeln die Offiziere – natürlich nur in Gedanken –, denn sie erwarten einen Reinfall des Kommandeurs.

Aber sie irren sich, denn sie erleben eine Überraschung. Tatsächlich ist die Unterwäsche des Mannes saudreckig. – Alles ist platt. –

Erst lange nach der Besichtigung hat der Bataillonskommandeur seinen Vorgesetzten höflichst gefragt, wie er das eigentlich festgestellt habe.

Und dieser erwiderte: »Ich habe es gerochen.«

Ja, ja, so etwas gibt es. Nicht nur auf dem Kasernenhof, sondern – vielleicht sogar noch öfter – auch in der sogenannten guten Gesellschaft. In den meisten Fällen ist darin ein unverzeihlicher Mangel an Körperpflege begründet. Ein Menschenkenner weiß stets, was er von einem unsauberen Menschen zu halten hat, und selbstverständlich wirkt dieser auf alle seine Mitmenschen unsympathisch.[19]

Jeder Mensch hat seine Hautausdünstungen. Das ist ein natürlicher Vorgang. Wer häufig badet, mit der Seife nicht zu sparsam ist, mit einem Worte, regelmäßig Körperpflege treibt, wirkt frisch und angenehm, bei ihm werden die Ausdünstungen nicht unangenehm bemerkbar werden. Gewiß, es gibt auch Menschen, die unter unangenehmen Hautausdünstungen infolge irgendwelcher innerer Störungen zu leiden haben. Wir erinnern an den lästigen Schweißgeruch von den Füßen oder aus den Achselhöhlen. Wer darunter leidet, ist natürlich zu bedauern, aber er hat die doppelte Pflicht, sauber zu sein, um solche Erscheinungen möglichst zurückzudrängen. Heiße Waschungen und Puder sind gute Mittel. – Gegen üblen Mundgeruch, den man häufig beobachten kann und der den andern im Gespräch plötzlich zurückprallen läßt, helfen oft Mundpillen. Wenn der Geruch aber aus dem Magen kommt, ist ärztliche Hilfe angebracht.

Wir wollen nun einmal hören, welche Körperpflege Siegmund treibt, der immer einen besonders frischen Eindruck macht.

Siegmund steht regelmäßig sehr früh auf, um genügend Zeit für seine Körperpflege zu haben. Er weiß, daß das nicht so schnell geht, weiß aber auch, daß diese Betätigung sehr zu seinem allgemeinen Wohlbefinden beiträgt, daß eine regelmäßige Körperpflege die Stimmung wesentlich hebt und daß sein Äußeres dadurch sehr gewinnt.

Zweimal in der Woche nimmt Siegmund morgens oder abends ein warmes Bad mit Abseifen, während er an den andern Tagen morgens kalt duscht. Freiübungen mit entblößtem Körper am offenen Fenster gehören ebenso selbstverständlich zur Pflege wie Tiefatemübungen und das folgende kräftige Trockenbürsten des ganzen Körpers an jedem Morgen.

Dem täglichen Rasieren, Waschen, Zahnbürsten usw. folgt ein tüchtiges aber nicht zu hartes Bürsten der Haare, die übrigens jede zweite bis dritte Woche mit flüssiger Haarseife, daneben zweimal in der Woche mit Kopfwasser gewaschen werden. Siegmund läßt seine Haare alle vierzehn Tage schneiden, denn er weiß wohl, daß die über den[20] Kragenrand hinaushängende »Nackenfrisur« einen üblen Eindruck macht. – Vernachlässigtes, struppiges Haar stellt noch längst keine Künstlerfrisur dar. Ein gut gezogener Scheitel wirkt korrekt und schnittig. Zu viel Öl oder Brillantine im Haar wirkt abstoßend. Herabfallender Schinn, der auf den Schultern des dunklen Rocks eine Schneelandschaft hervorzuzaubern bemüht ist, macht einen ekelhaften Eindruck. Das Jucken der Kopfhaut ist, besonders beim Älterwerden, sehr lästig, das Kratzen für den andern höchst unappetitlich. Unser Rat: hin und wieder, aber nicht zu oft mit Franzbranntwein waschen. In hartnäckigen Fällen sind Bestrahlungen unter ärztlicher Aufsicht zu empfehlen. – Auch den Ohreingängen ist Aufmerksamkeit zu schenken. Die Bildung des Ohrenschmalzes ist an sich eine natürliche Erscheinung. Es darf aber nicht in Erscheinung treten, man kann es mit dem Zipfel eines Lappens entfernen.


5. Nur der saubere Mensch wirkt sympathisch

Auf die Notwendigkeit einer regelmäßigen Mund-und Zahnpflege braucht nicht besonders hingewiesen zu werden. Wer Zähne verliert, sorge für Ersatz. Zahnlücken machen einen sehr häßlichen Eindruck. Es gibt Menschen, die an einer fast unüberwindlichen Scheu vor dem Zahnarzt leiden und nicht den Mut finden, Wurzeln ziehen zu lassen, damit der Zahnarzt neue Zähne »wachsen lassen kann«. Diese Menschen leiden psychisch viel mehr darunter, als ihnen zum Bewußtsein kommt. Sie fühlen, daß während einer Unterhaltung der andre immer auf diese fatalen Zahnlücken guckt, ohne daß er es eigentlich will. Sie sind bemüht, die Oberlippe nach unten zu ziehen, wagen nicht recht, zu lachen und sind infolgedessen immer unsicher. Das sollte nie unterschätzt werden. Vielleicht kostet es etwas Überwindung, zwecks dieser Zahnreparatur zum erstenmal zum Zahnarzt zu gehn. Ist aber erst der Anfang gemacht, gibt es meist keine Hemmungen mehr.[21]

Und nun noch eine Kleinigkeit. Wenn man älter wird, schießen aus den Nasenlöchern, den Ohrmuscheln usw. unerwünschte Härchen hervor. Sie sehen häßlich aus. Darum bitte man beim Haarschneiden den Friseur, sie weg zu schneiden, um einen sauberen Eindruck zu machen. Die im Alter üppiger wachsenden Augenbrauen sollte man nicht zu oft schneiden lassen, weil sie sonst hart und struppig werden. Besser ist es, sie häufig glatt zu streichen.

Nun wäre noch etwas über die Körperpflege der Frau zu sagen. Man möchte annehmen, daß sie für die morgendliche Toilette weniger Zeit braucht, weil sie ja keinen Rasierapparat zu schwingen braucht. Die Praxis lehrt aber eher das Gegenteil. Nun, wir wollen zugeben, daß ihre Haarfrisur mehr Zeit beansprucht. Im übrigen will die Frau nicht nur sauber, sondern auch reizvoll sein. Über die Körperpflege des Mannes hinaus hat sie noch mancherlei zu tun. Sie bemüht sich um die besondere Pflege der Augenbrauen, vielleicht auch um ihre Wimpern, poliert ihre Fingernägel, nimmt wohl auch ein wenig »Sommerfrische aus der Büchse«, um ihren Wangen einen Schein von Wohlbefinden zu verleihen, dann noch seinen Gesichtspuder und schließlich schwingt sie mit Eleganz und Anmut den ihr unentbehrlich erscheinenden Lippenstift.

Dieses Eisen ist so heiß, daß wir wirklich nicht wagen, es anzufassen.

Noch ein kurzes Wort zur Parfümfrage. Ein zarter Hauch ist der Frau gestattet. Mehr ist vom Übel. Der Mann sollte möglichst auf jedes Parfüm verzichten. Ein wenig Kölnisches Wasser ist indes nach dem Rasieren empfehlenswert, im Taschentuch erfrischend.

Oft wird der Mensch auch nach seinen Händen beurteilt. Das weiß unser Freund Siegmund, darum legt er auch auf die Pflege seiner Hände Wert. Besondere Aufmerksamkeit schenkt er den Fingernägeln. Ob er sie poliert? – Nein, das überläßt er den Frauen. Er achtet aber immer darauf, daß die Fingernägel blitzsauber sind und daß sie eine gute Form aufweisen. Siegmund schneidet die Fingernägel selten, besser kommt er nämlich mit regelmäßigem Feilen zum Ziel. Die Fingernägel dürfen niemals zu stark zurückgenommen[22] werden, da sie sonst das Bestreben haben, in die Breite zu gehen. Um ein gelegentliches Abbrechen der Fingernägel zu verhüten, gibt man ihnen abends ein wenig Fett. Weiter achtet Siegmund darauf, daß die Nagelhaut nicht einreißt, was schmerzhaft ist und nicht schön aussieht. Das Nagelbett hält er stets frei und sauber.

Siegmunds Hand wird beruflich wenig beansprucht. Eine schwielige Arbeiterhand sieht natürlich ganz anders aus. Sie legt beredtes Zeugnis von ihrer segenspendenden Tätigkeit ab, aber sie muß noch mehr gepflegt werden als die des Kopfarbeiters. Bei den neuzeitlichen Reinigungsmitteln ist es weder schwierig noch zeitraubend, auch die Arbeiterhand außerhalb der Arbeit sauber zu halten. Sie mit der Hand eines Kopfarbeiters oder gar Nichtstuers zu vergleichen, ist nicht am Platze. Der Handarbeiter will eine fürsorglich oder gar raffiniert gepflegte Hand mit zarten Fingernägeln gar nicht haben, einmal, weil er das beruflich kaum erreichen kann und weiter, weil er für seine berufliche Tätigkeit eine derbe, harte und schwielige Hand braucht.

Was hier über die Hand gesagt ist, gilt schließlich auch für den ganzen Menschen.


*


Wer sich diese vielen Ratschläge, Winke und Fingerzeige aufmerksam angehört hat, wird vielleicht erwidern: »Das ist ja alles gut und schön, aber – woher nehme ich die Zeit für alle diese Vorbereitungen?« – Unsere Antwort: diese Zeit hat jeder, er braucht sie sich nur zu nehmen. Sie steht allerdings nicht zur Verfügung, wenn man morgens nicht aus den Federn kommen kann. Also an ein frühes Aufstehen muß man sich schon gewöhnen. Im übrigen ist der Zeitaufwand für die gesamte Körperpflege in der Praxis wirklich unerheblich.

Aber eins sei noch gesagt: auch bei der Pflege unsres äußeren Menschen wollen wir uns daran gewöhnen, nichts gedankenlos zu machen. Wenn auch Wirkung, Zweck und Erfolg nicht sofort ins Auge springen, einmal stellen sie sich doch ein. Warum wollen wir immer erst warten, bis uns die Lebenserfahrung zur Lehrmeisterin wird? – So[23] vieles, was uns vielleicht im Augenblick ganz nebensächlich erscheint, erweist sich später einmal als höchst bedeutungsvoll.

Da lernt beispielsweise unser Freund Siegmund gelegentlich einen Direktor K. kennen und unterhält sich mit ihm eine ganze Weile in einer Weinstube. Siegmund ist heute gerade besonders guter Stimmung, sehr unterhaltsam und gesammelt. – Der Direktor K., dem er vorgestellt wurde, und auf den er einen vorzüglichen Eindruck gemacht hat, wird nun einige Zeit später von einer höheren Stelle aufgefordert, einen Herrn zu nennen, der eine neue, gute und verantwortungsvolle Stellung übernehmen könne. Direktor K. erinnert sich in diesem Augenblick des guten Siegmund, den er während einer Unterhaltung in der Weinstube schätzen gelernt hat. Nicht allein die geistvolle Unterhaltung Siegmunds hat ihm gefallen, ihm imponierten auch die gesunden Ansichten, weiter aber hat dem Direktor das tadellose Benehmen Siegmunds, sein ganzes Auftreten und nicht zuletzt sein gepflegtes Äußere gefallen. – Er bringt ihn in Vorschlag, und die Sache klappt. Das ist nur ein Beispiel. Viele ähnliche könnten aufgezählt werden.

Tatsächlich stellt sich manchmal erst nach längerer Zeit heraus, daß dieses oder jenes vielleicht zufällige Zusammentreffen, eine Unterhaltung bei Sport oder Geselligkeit, ein Bekanntwerden im Theater, das Zutrinken in einer Gaststätte usw. für unser Fortkommen, vielleicht sogar für unser ganzes Leben, von entscheidender Bedeutung gewesen ist.

Wie aber läuft die Geschichte, wenn man sich gehn läßt und einen gleichgültigen oder nachlässigen Eindruck macht? – Nun, dann stellen sich zu gegebener Zeit die üblichen Vorwürfe ein, mit denen man sich selbst überschüttet. Dann wird tüchtig mit »hätt' ich doch –« und »wär: ich doch –« operiert, obgleich das nun zwecklos ist. Natürlich wird so etwas niemals wieder vorkommen! Und das nächste Mal – schwört man. Ob man den Schwur halten wird?

Das Gefühl, zum Objekt der verpaßen Gelegenheiten geworden zu sein, ist sehr schmerzlich. Darum tun wir gut,[24] uns daran zu gewöhnen, immer bereit zu sein. Vergessen wir nie die große Verantwortung, die wir auch uns selbst gegenüber schuldig sind.

Ein Mensch, der gegen jeden Menschen grundsätzlich und bei jeder Gelegenheit freundlich und zuvorkommend, anregend, sachlich und klug, im Äußeren sauber, ordentlich und geschmackvoll ist, kurz, ein Mensch, dessen ganzes Wesen und Auftreten Harmonie und Zuneigung ausstrahlt, ist eben bereit. Ihm wird der Erfolg nicht versagt bleiben. Und wenn er sich eines Tages vor der beglückenden Schicksalswendung sieht, dann werden die andern, die zurückblieben, sagen: »Der hat aber mal wieder Dusel gehabt!« – Nein, es war weder Dusel, noch Glück, noch Zufall, es war die Auswirkung des ausgezeichneten Eindrucks, den jener gemacht hat.

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 19-25.
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