18. Darf ich vorstellen – – –?

[121] »Du hast recht, Marga, das Kaffee hier ist ausgezeichnet renoviert und die neue Kapelle ist ganz groß.«

Marga, die gerade eine Zeitschrift durchsieht, fügt ergänzend hinzu, daß auch die Torte prima sei.

Als sie sich nun im Kaffee umsieht, macht sie ihren Bruder darauf aufmerksam, daß dort hinten Fräulein Buchhagen, ihre beste Arbeitskameradin, gehe. »Sie kommt auf unsern Tisch zu und wird mich wohl begrüßen wollen.« – Schon ist sie am Tisch.

»Darf ich vorstellen? – Fräulein Buchhagen – mein Bruder.«


18. Darf ich vorstellen

Dieter ist in seinem bequemen Sessel sitzen geblieben, hat aber der jungen Maid sehr freundlich die Hand gereicht – – –

O weh! – Drei Fehler in einer Minute. Das genügt.

Erster Fehler: Ein grober Verstoß liegt darin, daß Marga den Bruder ihrer Arbeitskameradin vorstellt. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Immer wird der Herr der[121] Dame zuerst vorgestellt. Ausnahme: Eine noch sehr junge Dame kann einem älteren, würdigen Herrn zuerst vorgestellt werden.

Zweiter Fehler: Dieter mußte selbstverständlich in dem Augenblick aufspringen, als die Dame an den Tisch trat. Ein Herr soll sich mit einer Dame, die steht, grundsätzlich nur stehend unterhalten. Vor allem muß der Herr stehend eine straffe Haltung, leicht vorgebeugt, einnehmen, wenn er vorgestellt wird. Eine Dame kann dagegen beim Vorstellen sitzen bleiben.

Dritter Fehler: Weder bei der Vorstellung noch bei einer Begrüßung reicht der Herr der Dame die Hand, sondern wartet brav darauf, bis die Dame sie ihm reicht. Dann erwidert er den Händedruck bestimmt, aber nicht zu fest.

Wie ist es nun bei Herren unter sich? – Der jüngere Herr wird stets dem älteren vorgestellt. Sitzen mehrere Herren, etwa in einer Gaststätte, zusammen und kommt ein neuer Herr dazu, der nur einem oder vielleicht zwei Herren bekannt ist, so wird sein Name in der Regel zuerst genannt, dann folgen die Namen der bereits anwesenden Herren, die sitzen bleiben können, falls der hinzugetretene Herr nicht etwa eine tonangebende Persönlichkeit ist.

Das Vorstellen soll mehr als eine Geste sein. Es ist ein Zeichen dafür, daß man zu jemandem, wenn auch gegebenenfalls nur lose, persönliche Beziehungen aufnimmt. Darum sollen beim Vorstellen die Namen deutlich ausgesprochen werden. Man soll sich die Namen auch nach Möglichkeit einprägen. Bei einem großen Vorstellen in Bausch und Bogen ist das natürlich schwierig. – Wenn jemand, der sich selbst vorstellt, seinen Namen bewußt undeutlich nennt, so ist darin vielleicht Blasiertheit, bestimmt aber ein Mangel an Takt zu erblicken. – Bei der Vorstellung »Sehr angenehm!« oder »Ehrt mich sehr!« oder »Schätze mich glücklich« usw. zu sagen, ist heute im allgemeinen nicht mehr üblich. Eine kurze, stramme Verbeugung genügt. Der tiefe Bückling hat sein Leben ausgehaucht.

Nun noch ein Wort zur Anrede.

Das Thema »Gnädige Frau« oder, wie die aufmerksame Verkäuferin flötet: »Gnä Frau« ist in unsern Tagen ziemlich[122] umstritten. Vorläufig ist der Begriff noch da und es bedeutet gewiß keinen Mangel an Volksgemeinschaft, wenn man ihn Damen gegenüber anwendet, die man erst flüchtig kennt. – Sonst wird man die Frau mit ihrem Namen anreden.

Oft ist die Anrede »gnädige Frau« eine Höflichkeitsfloskel, oft auch ein Ausfluß der Bequemlichkeit, dann nämlich, wenn man sich die Mühe sparen will, über den Namen der Dame nachzudenken.

Unverheiratete junge Damen sollte man im allgemeinen mit ihrem Vaternamen anreden. Kennt man sie länger, ist zum Beispiel »Fräulein Irene« angebracht.

Das Anreden einer Frau mit dem Titel ihres Mannes soll zwar verschwinden, behauptet sich aber in manchen Kreisen noch hartnäckig. Dafür liegt heute umsoweniger Veranlassung vor, als es ja auch viele Frauen gibt, die selbst solche Titel tragen. Eine Frau, die promoviert hat, hat das Recht, sich Frau Doktor zu nennen und kann verlangen, so angeredet zu werden. Wenn sie aber hört, daß neben ihr eine Frau, weil deren Mann die Doktorwürde besitzt, ebenso angeredet wird, so wird sie das eigenartig berühren.

Wenn sich ein Mann unberechtigt »Doktor« nennt, so hat er schwere Bestrafung zu erwarten. Wenn aber die Frau des Dr. Weber nach ihren Einkäufen ihre Anschrift im Geschäft selbst mit »Frau Doktor Weber« angibt, so findet man darin nichts Außergewöhnliches. Ja, ja, die Logik geht oft sonderbare Wege.

Das Anreden der Frau mit dem Titel oder der Amtsbezeichnung des Mannes scheint sich vor allem in kleineren Orten lange zu halten. Da ist es ein sehr alter Brauch. So konnte man früher in einem Kaffeekränzchen hören:

»Bitte, nehmen Sie doch noch ein Stückchen, Frau Steuereinnehmerin zweiter Klasse!«

»Bitte, Frau Steuereinnehmerin erster Klasse. Gott sei Dank! Seit dem 1. Oktober.«

»Ah, ich gratuliere!« –

»Trinken Sie noch ein Täßchen, Frau Tamburmajor?«

»Aber warum so viel Umstände, Frau Gerichtsdiener«, sagen Sie doch kurz »Frau Major«! – –[123]

Quelle:
Volkland, Alfred: Überall gern gesehen. Mühlhausen i. Thüringen 1941, S. 121-124.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Ebner-Eschenbach, Marie von

Bozena

Bozena

Die schöne Böhmin Bozena steht als Magd in den Diensten eines wohlhabenden Weinhändlers und kümmert sich um dessen Tochter Rosa. Eine kleine Verfehlung hat tragische Folgen, die Bozena erhobenen Hauptes trägt.

162 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon