Erste Erfolge in Florenz

[75] In Florenz, wo wir kurz vor Weihnachten ankamen und einen Monat blieben, hatten wir den ersten Erfolg dieser Reise. Der alte Liphart empfing uns gleich mit der Mitteilung, daß allerlei Wertvolles für uns im Kunsthandel zu haben sei, günstigerweise lauter Bilder im Privatbesitz oder bei Händlern. Das Hauptstück, das imposante Gemälde der »Schule des Pan« von Signorelli, war schon fast ein Jahrzehnt früher von einem Marchese Stufa in seinem Hause, einer alten Mediceervilla, bei einem Umbau unter dem Plafond entdeckt worden. Schon damals hatte man von verschiedenen Seiten die Erwerbung des Bildes versucht, aber der Eigentümer war zu keiner Forderung zu bewegen. Dann hatten die Jahre 1866 und 1870/71 das Interesse an der Kunst und dem Kunsthandel in Italien völlig zurückgedrängt, zugleich aber den Besitzer in seinen Vermögensverhältnissen[75] zurückgebracht. Einige Zeit, ehe wir nach Florenz kamen, war er zu der schönen Gattin eines Amerikaners Roß, der sich in Florenz angesiedelt hatte, in nahe Beziehungen getreten, und da er mit dem Gelde des Gatten seine Schulden zu decken suchte, hatte er diesem einen Anteil an dem Bilde gegeben. Der Restaurator des Bildes, Antiquar Tricca, führte für uns die Unterhandlun gen. Die erste Forderung von 200000 francs wußte er anfangs auf 160000 francs und schließlich, während wir in Rom waren, auf unser Gebot von 60000 francs herunterzuhandeln.

Ein zweites Bild, in seiner Art von kaum geringerem Wert, wurde uns gleichzeitig vom Maler B. angeboten, der es für den bekannten Florentiner Porträtmaler Gordigiani, dessen Tochter später Robert v. Mendelssohn heiratete, einen eifrigen Sammler von vielem Geschmack, zu verkaufen hatte: das Porträt des sogenannten Generals Borro in ganzer Figur, für dessen Autor bis heute ein Name mit einiger Wahrscheinlichkeit nicht gefunden ist. Liphart, der sich lebhaft dafür begeisterte, wollte einen Ribera darin sehen (nach den wenigen Porträts dieses Meisters wie nach seiner Malweise sicher eine irrige Annahme). Sein Sohn Ernst, der damals für Graf Schack die Hauptwerke des Velazquez in Madrid kopierte, entschied sich für Velazquez. Daß wir dem Kinde keinen Namen geben konnten und doch rieten, den damals nicht unansehnlichen Preis von 27000 francs, zu dem wir das Bild schließlich bekamen, dafür auszugeben, machte uns die Durchführung in Berlin nicht leicht.

Überhaupt begann jetzt, wo sich hervorragende Erwerbungen zu sehr annehmbaren Preisen boten, die Schwierigkeit, die Zustimmung des Grafen Usedom dafür zu erhalten. So lange wir nur Aussichten eröff neten, wie von Venedig aus, war er zufrieden, ließ uns Berichte über Berichte schreiben, die ihm gar nicht ausführlich genug sein konnten. Wo er vor eine Entscheidung gestellt wurde, versagte er vollständig. Er verlangte die Zusendung der Bilder oder mindestens »die Pausen der Köpfe«, behauptete, die Kommission[76] sei für die Ankäufe nicht zu haben, erklärte die Besitzer für Gauner, die man als solche behandeln müsse; »toujours photographier, jamais conclure«, war sein Refrain, wenn wir dringend wurden. Schließlich antwortete er überhaupt nicht mehr, und die Entscheidung über fast alle Erwerbungen, die wir in Florenz und später auf dieser Reise machten, erfolgte nach monatelanger Verzögerung, auf Verlangen des vortragenden Rates Dr. Schoene durch Erlaß des Ministers, dank zugleich der energischen Unterstützung des Protektors. Zu diesen Erwerbungen in Florenz gehörten noch einige Bilder des Antiquars Riblet: die Madonna Verrocchios (damals Piero Pollaiuolo zugeschrieben), die beiden großen merkwürdigen Gebirgslandschaften von Andrea Schiavone (eine Benennung des alten Liphart, der für die Bilder besonders eingenommen war) und »Der Botaniker« von G.B. Moroni. Sie kosteten zusammen 50000 Lire. Daneben erwarben wir aus Palazzo del Turco das wohl vom alten Hermann Tom Ring herrührende Bildnis eines Architekten, das Holbein zugeschrieben war. Eine Sammlung, um die wir uns gleichzeitig bemühten, die Galerie Torregiani, war damals noch ebenso wenig käuflich wie die Sammlung Mansi in Lucca, auf die uns der Venezianer della Rovere hinwies.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 75-77.
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