Frühwerke von Rembrandt

[146] Das Jahr 1876 brachte der Gemäldegalerie als Zuwachs ein paar ausgezeichnete und mehrere seltene holländische und deutsche Bilder. In der Versteigerung Lippmann-Lissingen hatte ich im März die stille See von Jan van de Cappelle (17000 francs) erworben. Im April konnten wir in der Versteigerung der Galerie des Barons Schneider-Creuzot wenigstens den kostbaren Pieter de Hooch (Mutter an der Wiege) um 135000 francs ersteigern. Da Meyer sich nicht getraute, noch einmal einer Auktion beizuwohnen, hatte der Vertreter der Maler in der damals noch bestehenden allgemeinen Museumskommission, Oscar Begas, durchgesetzt, daß nicht ich, sondern er nach Paris geschickt wurde. Hätte er nicht bestimmten Auftrag erhalten, so würde ihm auch der de Hooch entgangen sein. Auf die beiden herrlichen frühen Rembrandt-Porträts in ganzer Figur vom Jahre 1634, die den Prediger Alenson und seine Frau darstellen, hatte er nicht einmal bieten wollen. Freilich, er konnte zu seiner Entschuldigung anführen, daß, als die Bilder um 50000 francs ausgeboten wurden, ein Gelächter durch den Saal ging und schließlich der Kunsthändler Stephan Bourgeois erklärte, er biete 1000 francs für die beiden sogenannten Rembrandts. Es erfolgte kein weiteres Angebot, worauf die Bilder zurückgezogen wurden. Kürzlich hat man dem jetzigen Besitzer, dem Sohn des damals verstorbenen Barons Schneider, ein Gebot von drei Millionen darauf gemacht!

Die Verkennung der Jugendwerke Rembrandts, auch noch der ersten in Amsterdam gemalten Bildnisse, war damals eine fast allgemeine. Als die Direktion der National Gallery aus dem großartigen Legat der Galerie Wynn-Ellis, das ihr gerade 1876 zugefallen war, eine Auswahl zu treffen hatte, wurden[146] u.a. vier oder fünf solcher (bezeichneter und datierter) Bildnisse Rembrandts von 1633 und 1634 als falsch abgelehnt und später bei Christies um etwa 100 £ das Stück verkauft. Ein lebensgroßes Brustbild von Rembrandts Vater, das in der Versteigerung der Galerie von Friesen vorkam (jetzt in der Kasseler Galerie), erwarb auf meine dringende Empfehlung Edward Habich für den Preis von – sage baren 345 Mark. Trotzdem hat mir der alte Herr, der sehr aufs Geld sah, jahrelang vorgeworfen, ich hätte ihn elend hereingelegt, da alle Welt das Bild für falsch und schlecht erkläre. In derselben Versteigerung kamen zwei herrliche große Bildnisse von Amberger vor (jetzt Samuel Leopold Hirsch in London). Die Dresdener Galerie wünschte sie, namentlich als Erinnerung an den Sammler, den bekannten sächsischen Staatsminister, zu erwerben, und hatte, weil angeblich kein Geld vor handen war, zunächst den damals in Dresden lebenden Dr. Schubart gebeten, sie zu kaufen. Aus Rücksicht darauf verzichteten wir auf die Anschaffung und Dr. Schubart konnte sie zusammen um 5000 Mark erwerben. Zwanzig Jahre später wurden sie in der Versteigerung Schubart, der von der alten Abmachung nichts mehr wissen wollte, um 83000 Mark verkauft.

Jene eklatante Verkennung Rembrandts hat mich damals veranlaßt, die Jugendwerke Rembrandts in den kurz vorher begründeten »Graphischen Künsten« einer eingehenden Prüfung zu unterziehen. Das zog mir von seiten eines Wiener Herrn, A.v. Wurzbach, der sich für einen berufenen Rembrandt-Kenner hielt, eine höhnische Erwiderung zu, die er »Bode und seine grünen Rembrandts« oder ähnlich betitelte. Ich replizierte ihm, die Zeit würde bald erweisen, wer von uns beiden in dieser Frage der »grünere« gewesen sei. Die Zeit hat bald ihr Urteil gesprochen, nur Herr von Wurzbach konnte sich nicht darüber beruhigen. In seinem »Niederländischen Künstlerlexikon« hat er noch nach dreißig Jahren sein Mütchen an mir zu kühlen gesucht, indem er im Artikel »Rembrandt« versteckt die Behauptung aufstellte, ich hätte diese frühen sogenannten Rembrandts erfunden, um mit[147] dem Verleger meines großen Rembrandt-Werkes, dem Kunsthändler Charles Sedelmeyer in Paris, gute Geschäfte zu machen. Daß solche Leute es gar nicht fas sen können, wie jemand eine Überzeugung haben und vertreten kann, die ihm kein Geld einbringt, oder gar sein Geld und seine Zeit für wissenschaftliche Forschungen oder für öffentliche Sammlungen opfern kann!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 1. Band. Berlin 1930, S. 146-148.
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