Kaiser Wilhelm II. als Förderer

[150] Für das hintere Treppenhaus, das im Rokokostil gehalten ist, erschien mir der Schmuck mit einer Statue des großen Kunstsammlers und eigentlichen Begründers unserer Galerie, Friedrichs des Großen, vor allem erstrebenswert. Auch dafür war nur eine Kopie, nach Schadows trefflichem Standbild im Ständehaus zu Stettin, zu beschaffen. Zum weiteren statuarischen Schmuck stand uns als Eigentum der Museen Pigalles Meisterwerk, die Marmorstatue des Merkur, zur Verfügung. Da das Gegenstück, die Venus, noch in den Gärten von Sanssouci stand und der Marmor dort durch die Traufe von den Bäumen zu leiden begann, schien mir ein Versuch nicht aussichtslos, sie vom Kaiser zur Ausstattung des Museums, das den Namen seines Vaters tragen sollte, und für das sich Seine Majestät in hohem Maße interessierte, überwiesen zu erhalten. Ich bat daher um eine Audienz, für die ich noch einen größeren Wunsch auf dem Herzen hatte: die Überweisung der Marmorstatuen von Friedrichs Generälen, die einst den Schmuck des Wilhelmplatzes gebildet hatten und schließlich, nach mehrfachem Hin- und Herschieben, zur Dekoration der Kadettenanstalt in Lichterfelde verwendet waren. Diese Meisterwerke Schadows und Tassaerts mit der Friedrichs statue in der Mitte würden der herrlichste Schmuck des kleinen Treppenhauses sein und könnten da endlich wieder zu ihrer richtigen Würdigung gelangen.

So trug ich meine Bitten dem Kaiser vor und fand das weitherzigste Entgegenkommen. Er sagte uns sowohl das große altchristliche Nischenmosaik aus San Michele in Affricisco in Ravenna zu (das zur Dekoration des Domes, für den es bestimmt war, nicht verwendet worden war), wie die Statuen der Generäle und der Venus von Pigalle, durch die das hintere Treppenhaus im Kaiser-Friedrich-Museum einein in Deutschland[150] einzig dastehenden plastischen Schmuck besitzt. Daß ich auch Pigalles Venus mit erbeten hatte, ohne vorher bei dem Oberhofmarschall Graf Eulenburg anzufragen, hat mir dieser eine Zeitlang sehr verdacht, aber ich habe das Wohlwollen des ausgezeichneten Mannes, der sein schwieriges Amt durch fast ein halbes Jahrhundert unter drei Kaisern glänzend verwaltet hat, bald wiedergewinnen und im Interesse unseres Museums ausnützen können. Wohl nur der Wunsch, diesen Mann in dem wichtigen Amt nicht zu missen, mag der Grund gewesen sein, daß Graf Eulenburg nicht als Reichskanzler Bismarcks Nachfolger wurde, wozu er nach seiner Energie, seinem Eifer, seiner Sachlichkeit und seinem diplomatischen Geschick wie kein Zweiter geeignet gewesen wäre.

Kaiser Wilhelm sah ich wiederholt in dieser Zeit bei der Vollendung des Neubaues unserer Museen. Damals tauchte im Berliner Kunsthandel ein prächtiger silberner Tafelaufsatz in Gestalt eines lagernden Hirsches auf, die Nachbildung eines von Friedrich Wilhelm I. erlegten Zweiundfünfzigenders. Der Antiquar van Dam bot das Stück zuerst dem Hofe zum Kauf an, für den, es ja von größtem Interesse war. Um den Kaiser zur Anschaffung des schönen Werkes, das wohl in friderizianischer Zeit nur per nefas dem königlichen Besitz entzogen war, zu bewegen, ersuchte mich Graf Eulenburg um ein Gutachten und um Schätzung desselben und legte es damit dem Kaiser vor. Dieser war entzückt davon und genehmigte die Erwerbung, fragte schließlich auch beiläufig nach dem Preise: »Das soll wohl fünftausend Mark kosten?« Als man ihm die Forderung von fünfundvierzigtausend Mark nannte, war er entsetzt. »Das fehlte noch, daß ich dafür solche Summe ausgäbe! Nein, ich habe sechs Jungens zu versorgen; da kann Bode den Hirsch für das Museum kaufen!«

Als mir Graf Eulenburg dies Gespräch mitteilte, mußte ich ihm erwidern, daß für die mir unterstellten Abteilungen das Stück nicht geeignet und nicht erschwinglich sei. Aber wir könnten es ja durch unseren Museumsverein erwerben und dann der Krone gegen irgendein geeignetes Kunstwerk aus[151] den Schlössern, umtauschen. Der Hofmarschall wie der Kaiser waren einverstanden; ich solle nur einen Vorschlag machen. Mit Zustimmung von Graf Eulenburg wählte ich die prächtige Bronzebüste von Papst Sixtus V., das Gegenstück unserer Büste von Papst Gregor XIII., aber der Kaiser lehnte die Abgabe dieser Büste energisch ab. Er lege selbst zwar gar keinen Wert darauf und würde ein halbes Dutzend davon, gegen den Tafelaufsatz hergeben, aber seine Mutter habe ihn wiederholt versichert, die Büste sei das beste Kunstwerk in seinem Besitz und mehr wert als alle Bilder von Watteau. Er schlage Berninis Porphyrbüste des Paolo Bracciano dafür vor. Diese erschien mir aber mehr ein Kunststück in der geschickten Bewältigung des harten Steines als ein Kunstwerk. Die traditionelle Benennung als Bernini ist nachweislich unrichtig. Ich bat daher, mich nach einem anderen Tauschobjekt umsehen zu dürfen.

Durch Zufall verfiel ich auf ein Stück, das seit Jahrzehnten im Schloß Schönhausen magaziniert war, damals aber gerade zur Parkettierung ins Museum geschickt war, auf Rubens' großes Gemälde: »Diana mit ihren Nymphen von den Satyrn überfallen.« Dieses herrliche Bild, vielleicht das letzte, an dem der von der Gicht schwer geplagte Meister in Schloß Steen gemalt hatte, und das in der Versteigerung nach seinem Tode an Friedrich Heinrich von Oranien kam, war wegen des anstößigen Motivs aus den Wohnräumen, der Schlösser verbannt worden und erschien auch dem Kaiser nicht ausstellungsfähig. Der Tausch wurde daher zu allseitiger Befriedigung abgeschlossen.

Noch eine andere Gelegenheit, die den Kaiser nahe anging, konnte ich in der gleichen Zeit in günstiger Weise für unsere Sammlungen zum Austrag bringen. Schloß Friedrichshof mit seinen Kunstschätzen hatte die Kaiserin Friedrich ihrer Tochter Margarete, Prinzessin von Hessen, vermacht. Da ihr die Instandhaltung des weitläufigen Schlosses mit seinem prächtigen Park bei ihren Verhältnissen sehr schwer war, mußte sie durch den Verkauf einiger der wertvollsten Kunstwerke die[152] nötigen Mittel aufzubringen suchen. Der Kaiser hatte verlangt, daß sie zunächst den Königlichen Museen angeboten werden sollten. Ich machte die Gemälde und Bildwerke namhaft, deren Erwerbung uns interessieren würde, und gab an, was wir dafür zahlen könnten, während Lessing eine Auswahl aus dem Kunstgewerbe traf. Diese schätzte er leider so niedrig, daß sie der Prinz, ohne uns weiter zu benachrichtigen, um das Doppelte an einen Frankfurter Händler verkaufte, während er fast das Zehnfache dafür hätte erhalten können.

Von den Bildern, die ich ihm bezeichnet hatte, wollte er zunächst nur das Porträt von Rubens' erster Gattin verkaufen, dessen Preis ich auf höchstens 200000 Mark geschätzt hatte. Während ich nach den Verhandlungen annahm, daß der Prinz auf dieses nach damaligem Preis hohe Gebot eingegangen sei (wir kauften bald darauf Rubens' große Bekehrung des Saulus vom Kunsthändler Ch. Sedelmeyer um etwa 100000 Mark), ersuchte er mich um eine Besprechung der Angelegenheit im Berliner Schloß. Hier zeigte er mir ein Telegramm, durch das ihm ein Gebot von 500000 Mark von London aus – ich vermute Pierpont Morgan – gemacht wurde. Ich erklärte, auch dem Kaiser gegenüber, der mich gleich darauf empfing, daß mein Gebot meine äußerste Schätzung sei; mehr dürfe ich nicht dafür zahlen. Der Kaiser bestand darauf, daß das Bild in unser Museum käme, daß aber auch der Prinz das von außen gemachte Gebot dafür erhielte. Er sei bereit, aus seiner Schatulle 100000 Mark dazu beizusteuern. Der Verein könne ebensoviel geben, und von meinen Gönnern würde ich mir ja leicht dieselbe Summe verschaffen können. Ich sprach meine Befürchtung aus, daß mir dies nicht gelingen würde, erklärte mich aber bereit, den Vorstand unseres Vereins sofort deswegen zu befragen. Dieser lehnte einstimmig ab, einen Betrag über meine Schätzung hinaus herzugeben, da wir keine amerikanischen Preise zahlen könnten. In der Tat verfügte der Verein damals auch gar nicht über eine ähnliche Summe.[153]

Ein zufälliges Zusammentreffen mit dem Kaiser in der nächsten Zeit brachte endlich eine glückliche Lösung. Ich begegnete ihm im Tiergarten, wo er seinen Morgenspaziergang machte. Er sprach mich an und sagte, wie ich mich unterstehen könne, bei meinem Leiden spazierenzugehen, und dabei breitete er seinen starken rechten Arm aus und nötigte mich, daraufzusitzen und mich mit meinem Arm an seiner Schulter zu halten. Da ich daraus sah, daß er besonders guter Laune war, wagte ich, das Friedrichshofer Geschäft wieder zur Sprache zu bringen. Wir müßten notwendig noch ein paar gute Gegenstände mitbekommen, um den hohen Preis zahlen zu können. Ich nannte ihm mehrere plastische Stücke und erwähnte, daß wir dabei die Marmorbüste von Tamagnini wohl als Vermächtnis der Kaiserin Friedrich beanspruchen könnten, da sie eigentlich »gerollt« sei. Der Kaiser fragte: »Wieso gerollt?« Ich erzählte ihm ganz offen, wie diese Büste in Genua durch einen Scheinkauf unseres Generalkonsuls erworben sei, daß aber der Besitzer nie einen Pfennig dafür erhalten habe, und daß unser Konsul deshalb aus dem Amt hätte scheiden müssen. Der Kaiser war sehr unangenehm berührt, erklärte aber, er werde sich sofort danach erkundigen. Wenn die Sache sich so verhielte, so solle die Büste selbstverständlich gleich dem Museum ausgeliefert werden.

Mir war recht unbehaglich zumute, da ich nicht wissen konnte, ob man im Auswärtigen Amt die volle Wahrheit sagen würde. Freilich hatte ich von Baron Holstein selbst die Geschichte dieser eigentümlichen Erwerbung erfahren, aber sollte man sie im Auswärtigen Amt aus Rücksicht auf die Kaiserin Friedrich dem Kaiser wirklich ganz wahrheitsgemäß mitteilen? Ein Brief vom diensttuenden Adjutanten am folgenden Tage, des Inhalts, daß uns die Büste sofort überwiesen würde, erlöste mich von meiner Beklemmung. Nach längeren Unterhandlungen bekamen wir außerdem noch die reizende Bronzebüste eines Knaben von A. Rossellino, die Buchsstatuette von Francesco da S. Agata und einige kleinere Stücke mit in den Kauf, so daß uns das schöne Porträt von Rubens schließlich nicht[154] teuer zu stehen kam. Freilich, ursprünglich war es uns noch wesentlich billiger zugedacht gewesen.

Kaiser Friedrich hatte sich in den ersten Jahren seines Protektorats mehrfach selbst bemüht, uns wertvolle Kunstwerke für unsere Museen zu beschaffen. So hatte er, bei gelegentlichem Aufenthalt in Baden, beim Maler Winterhalter zwei treffliche Frauenbildnisse von Rubens und Bordone gesehen und den Künstler gebeten, sie ihm für das Museum zu überlassen. Wie der Kronprinz mir später mitteilte, würden sie ihm nach Winterhalters Tode zur Verfügung stehen. Im Testament hatte sie der Maler aber seinem jüngeren Bruder vermacht, unter der Auflage, daß sie nach dessen Tode dem Kronprinzen zusammen für 50000 Mark angeboten werden sollten. Dieser Bruder starb hochbejahrt erst Ende der neunziger Jahre. Das Amtsgericht von Baden teilte, da der Kaiser Friedrich inzwischen verstorben war, der Kaiserin als seiner Rechtsnachfolgerin jene Bestimmung des Testaments mit und bat sie, unter Übersendung der Bilder, um Entscheidung, ob sie diese für die im Testament festgesetzte Summe übernehmen wolle. Die Kaiserin, so erzählte mir einige Zeit darauf Herr von Angeli, der gerade in Friedrichshof weilte, war entsetzt über den »kolossalen« Preis, so sehr sie die Bilder begeisterten. Aber Angeli redete sehr zu. Der Preis sei gar nicht hoch, sondern außerordentlich niedrig, er selbst würde sie mit Freuden dafür übernehmen. Dadurch ließ sich die Kaiserin schließlich zum Ankauf bestimmen. Daß die Bilder für unsere Galerie gedacht waren, habe ich ihr später mitgeteilt, leider ohne den gewünschten Erfolg. Die beiden Bilder hatte Winterhalter seinerzeit von Barthold Suermondt für ein paar Porträts, die er von sich und seiner Frau malen ließ, als Bezahlung erhalten. So sind sie uns in doppelter Weise entgangen.

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 150-155.
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