Neue Erwerbungen. Rembrandts Anslo

[102] Ein paar Monate später ging ich mit meiner Frau nach Italien, wo mir wieder die Erwerbung mehrerer tüchtiger Kunstwerke gelang. In Florenz glückte es mir, von den Kunstwerken der Familie Torregiani, deren Ankauf zehn Jahre früher durch Meyer vereitelt war, wenigstens noch das großartige Porträt Signorellis und das farbig glasierte Reliefporträt eines Jünglings von Luca della Robbia anzuschaffen – freilich wesentlich teuerer, als seinerzeit der Preis für die ganze Sammlung gewesen war. Ein paar Jahre darauf erwarb ich aus demselben Haus die große, breit behandelte Bronzebüste eines Verwandten der Torregiani, des päpstlichen Sekretärs Rossi, dessen Palast neben dem der Torregiani lag und heute mit diesem vereinigt ist. Direkt von Bardini, der diese Käufe vermittelte, konnte ich die edle Figur einer Winzerin von Francesco Cossa (aus der Sammlung Barbacinti in Ferrara) erwerben, die in der Feinheit ihrer Erscheinung im Licht und in der landschaftlichen Ferne den Einfluß von Piero della Francesca bekundet.

Noch glücklicher war ich, als ich im Mai über Paris (wo ich den kleinen »Tod Mariä« in der Art des Hugo van der Goes kaufte) nach London ging. Schon lange hatte ich auf den herrlichen »Anslo« Rem brandts in der Sammlung des Earl of Ashburnam mein Auge geworfen, da ich wußte, daß der junge Lord dringend Geld brauchte. Diesmal kam ich zum Ziele. Wir vereinbarten den Preis von 20000 £, aber da der Besitzer mich nicht kannte, verlangte er den Kauf irgendeines anderen, gleich bar zu bezahlenden[102] Bildes seiner Sammlung. Ich wählte das weibliche Profilporträt unter dem Namen des Piero della Francesca (von dessen Lehrer Domenico Veneziano, wie ich damals schon annahm) und bot 2000 £ darauf. Lord Ashburnam nahm dieses Gebot sofort an. Er habe eine viel bescheidenere Summe erwartet für ein so häßliches Bild!

Quelle:
Bode, Wilhelm von: Mein Leben. 2 Bde, 2. Band. Berlin 1930, S. 102-103.
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