August Macke 06.12.1910

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[23] BRIEF AUS BONN


[Datum des Poststempels: 6.12.1910]


Lieber Marc!


Glücklich sind wir hier mit Sack und Pack. Das Atelier ist in den ersten Wehen. Hoffentlich kommt es gut heraus. Deine Kritik freute mich ausserordentlich. Sie ist sehr schlau gesetzt. Ein Kunsthistoriker könnte sie nicht besser schreiben. (Ich meine nur stilistisch). Das stilistisch Schöne erinnert mich an Deine guten Steine und Halsketten, Du alter Schlemmer. Es ist seltsam, aber wahr. Ich glaube, ich bin ein wenig heftig. Frag mal Helmuth. Ich las neulich von Matisse, dass er mit schönen langen Handbewegungen über die Dinge spräche. Das machte mich nervös. Jetzt stellte ich mir Franz Marc, Helmuth und Matisse vor mit schönen, ruhigen, langen Handbewegungen. Gegenpol Jawlensky: Gut, gut, gut, gut, gut, sehr schön, sehr schön, serrr serrrr schön, sähr schön. Ich sehe dabei die Notwendigkeit der langen Handbewegungen ein, aber auch kenne ich Dich in Augenblicken, wo Du ganz frei bist von der Schwermut, die die Bewunderung in Dir auslöst. Wenn Niestlé von Bürzelfedern oder Arschbacken oder den drei Wünschen redet. Dann sehe ich den Franz – ganz – ... wanz. Dionysisch strahlen seine Spanierblicke. Pfeife und Pfarben müssen mehr pfurzen, Du alter Scharaku mit den Schönheitsidealen und dabei so grossen Händen.


NB. – Schimpfe über den saudummen Zettel, aber heute mittag bin ich so jeck. Schreib mal was und schick mir möglichst die Bilder, da ich dem B.K. was schicken muss. Kunstratschläge gebe ich ihm nicht mehr.

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 23-24.
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