August Macke 22.01.1912

[96]  

Bonn, 22. Jan. 1912


Lieber Franz!


Am Samstag in der Sonderbundsitzung habe ich alle meine Vorschläge durchgebracht. Die Ausstellung scheint sehr gut zu werden.

Zur Blauen-Reiter-Ausstellung war ich Samstag und Sonntag. Es war wieder sehr interessiertes Publikum da, und es wurde schwer geredet über die Bilder. Rousseau, Delaunay, Epstein, Kahler, Kandinsky, Campendonk und einiges an den Burljuks interessierte mich am meisten. Von Deinen Sachen war ich ziemlich enttäuscht. Ich hatte bei allem ein Gefühl des Unfertigen, des Gewollten und nicht ganz Gekonnten. Ich denke gerade darüber nach, dass der Blaue Reiter mich nicht reproduziert. Bis jetzt war ich davon überzeugt, dass andere wichtiger seien. Ich werde auch nicht leicht dazu zu bewegen sein, etwas herzugeben. Nur muss ich der Meinung Ausdruck geben, dass die Lautenspielerin, die nicht mit hergeschickt wurde, mir persönlich lieber ist wie vieles der Ausstellung. Eigenliebe, Pantoffelheldentum und Blindheit spielen bei dem Blauen Reiter eine grosse Rolle. Die grossen Worte vom Beginn des[96] grossen Geistigen klingen mir immer wieder in den Ohren. Kandinsky mag das persönlich sagen und vieles andere von Umwälzung. Mir ist das besonders nach dieser Ausstellung unsympathisch. Ich rate Dir nur, arbeite, ohne an den Blauen Reiter und an blaue Pferde zuviel zu denken. Der gute Rousseau. Und der gute Helmuth. Campendonk wird schon etwas zierlich dekorativ. Ich glaube, Kunst kommt nicht von Wollen, auch nicht von Müssen, wie Schönberg sagt, sondern von Können. Der Schönberg ist mir unsympathisch, der Bloch schwach. Sei mir gegrüsst und grüsse die gute Maria.


Euer August

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 96-97.
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