Franz Marc 07.11.1910

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Sindelsdorf, 7. XI. 10


Mein lieber guter Macke,


das ›Pensionat‹ ist wieder glücklich in Sindelsdorf gelandet, wo es inzwischen auch Winter geworden ist. Sei Du und Deine liebe Frau nochmals herzlich bedankt für Eure Gastfreundschaft und bewundernswerte Geduld, mit der Ihr unsere Ungezogenheiten ertragen habt. Wir waren gar nicht ›ganz lieb‹, wie der terminus technicus bei Frl. Franck lautet! Nun freuen wir uns so auf Euer Kommen! Hier fand ich ein ziemlich dummes Kauf-revers von Thannhauser vor, das mich etwas ärgert. Ich sinne billigerweise ›ohnmächtige Rache‹!

Sollte Herr Helmuth Euch inzwischen besuchen oder in München sein, bringt ihn doch unter allen Umständen mit, bitte! Wir würden uns aufrichtig freuen. Mit unserm neuen Zimmerchen ist nun Platz genug für Besuch.

Ich vergass, den Opalschmuck Deiner Frau mitzunehmen; bringt ihn doch mit, dann können wir uns miteinander etwas ausdenken dafür.

Die Ernte Deines Sommers prangt an unseren Wänden. Ich habe manches davon furchtbar gern. Die ›Bestimmtheit‹, in der das meiste gemacht ist, beschämt mich oft. Meine tausend Schritte, die ich zu jedem Bild brauche, sind doch kein Vorzug, wie ich mir früher zuweilen törichterweise einbildete. Es muss schon anders werden. Was würdest Du alles machen können, wenn Du meine Sindelsdorfer Ungestörtheit hättest. Hoffentlich erkämpfst Du sie Dir in Deinem Bonner Atelier; kümmere Dich doch um nichts als dies, rücksichtslos! Ich träume jetzt schon davon, einmal in Deinem Bonner Atelier neben Dir ein paar Sachen zu malen, wieviel könnten wir beide voneinander gewinnen, ich meinerseits ganz gewiss! Wir müssen es verwirklichen. Nun werde ich Quärulant und höre schnell auf. Behaltet uns lieb, wie wir Euch haben, auf Wiedersehn

Dein Fz. Marc


PS. Die Verbindung via München war ganz angenehm. Man braucht keinesmal den Wagen zu wechseln, und der kurze Münchener Aufenthalt ist ja schnell ausgefüllt.

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 20-21.
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