Franz Marc 27.01.1912

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Berlin, 27. I. 12


Lieber August,


einliegenden Brief mag ich Dir nicht vorenthalten, er ist zu unglaublich, vom ER WEISS. Der ist entschieden für das Blaue-Reiter-Archiv (Munter ›verwest es‹, glaub ich) reif. Schick den Brief bitte an Kandinsky oder an mich nach Sindelsdorf. Ganz so, wie Du es darstellst, ist es nun nicht mit dem ›Nicht-auffordern‹ zum Blauen Reiter. Du kamst so gründlich ›geladen‹ gegen den Prospekt und alles mögliche im Blauen Reiter und verwahrtest Dich gleich zu Anfang gegen eine Beteiligung mit Reproduktionen, so ähnlich wie Du es jetzt auch machst, wenn Du schreibst: »Ich werde sehr schwer zu bewegen sein, etwas für den Blauen Reiter herzugeben etc.«. Auf mich wirkt dies auch etwas grosstuerisch. Denn geholfen kann einer Sache wie dem Blauen Reiter nur werden, indem wir uns mit unseren ganzen Kräften, ohne Empfindelei und Hinterhalt, in die Sache stellen; das tut Kandinsky auf seine Weise (als ›Asiate‹!) und ich auf meine. Du darfst es ja auf Deine Weise machen, aber nicht nur durch Räsonnieren (wodurch Du allerdings schon einiges Gesunde gewirkt hast), sondern durch Mittun.

Nun hör mal: schlage etwas von Deinen Sachen vor oder hilf mir wenigstens in der Auswahl, die mir sehr schwierig scheint. Am natürlichsten für Reproduktion schiene mir der Sturm aus dem Katalog, nur natürlich grösser; schade ist nur, dass er durch den Katalog schon durch so viel Hände gegangen ist. Bei manchen so guten Sachen von Tegernsee und Bonn, die ich so liebe, spielt mir doch oft das Gefühl herein, dass eine einzelne Reproduktion (z.B. des Berges mit den Blumentöpfen) Dich nicht stark und schlagend vertritt; und gerade dies möchte ich, das wirst Du mir doch ehrlich glauben. Im Stillen hoffte ich immer auf die Seeschlacht, sprach auch mit Maria davon und hatte sie mir schon fest für die Blaue-Reiter-Ausstellung vorgestellt[100] neben den Kandinsky's, – nun hast Du's wieder überschmiert. Was ist mit dem grossen, den Spielenden Kindern, von dem Du erzählt hast? Ich meine immer, Du müsstest irgend so etwas im Blauen Reiter bringen. Ehrlich gesagt und ohne Deiner Wertung der ›Guitarrespielerin‹ zu widersprechen (– ich bin nur froh, wenn es wirklich besser ist, als es mir damals schien), habe ich den Gedanken, dass eine Reproduktion Anklänge an Matisse zeigte, die Dich selbst nicht freuen würden und ein völlig unklares Bild von Dir geben.

Also bitte hilf mir und gib Deine Vorschläge, was Du Dir für den Blauen Reiter zu reproduzieren denkst. Ich weiss ja auch gar nicht, was Du jetzt alles in Bonn hast. Aber eins bitte ich Dich: Mach möglichst bald die Photographie, je grösser, je besser. Antworte nicht mehr hierher, sondern bis 1. Febr. in Kandinsky's Wohnung, ab 1. Sindelsdorf.

Helmuth schrieb, er wolle jetzt nach – Berlin! Ich war ganz baff; gab ihm aber schon recht bei seinen Plänen. Er will kunstgewerbliche Arbeiten für sein Einjähriges machen, und zwar Glasfenster, wobei ihm Pechstein, der ja sehr viel für Glasfenster arbeitet, an die Hand gehen kann. Dann will er Akt zeichnen. Mit Bildermalen allein sei das Einjährige (ohne Akademie) sehr schwer zu bekommen, jedenfalls momentan für ihn und seine Natur, die den Bann der eigenen Ehrlichkeit auch für solche Zwecke nicht zu brechen vermag.

Ich schrieb schon an Kandinsky, warum mein Glasbild nicht mit kam, ich hätte es Euch gerne gezeigt. Es ist freilich verdammt zerbrechlich; wahrscheinlich haben sich die Leute die Sendung nicht zu machen getraut. Es hat einen ganz leichten Rahmen. Deine Lautenspielerin lassen wir doch für April gleich da, nicht? Nun sei nett und hilf mir bei der Auswahl Deiner Reproduktionen, statt mir bloss mit den Händen vor dem Gesicht herumzufuchteln. Grüsse 2 mal 2


Dein Fz. M.

Quelle:
Franz Marc, August Macke: Briefwechsel. Köln: DuMont, 1964., S. 100-101.
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