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[112] Sonntag 25.X 14.


Liebste, 8 Wochen! Das wunderschöne milde Herbstwetter dauert immer fort; wir leben unser friedliches Dorf leben; bis auf die fast täglichen Fliegerkämpfe über uns merken wir jetzt nicht viel vom Krieg. Das Beschießen der Flieger mit unseren Steilfeuergeschützen ist sehr interessant und aufregend; einen regelrechten Kampf von Flugzeug gegen Flugzeug hab ich noch nicht erlebt. Die Deutschen drücken den feindlichen Flieger noch von seiner Bahn ab u. suchen ihn in die Batteriebereiche zu drängen. Einiges von Eurer Post, auch ein paar Briefe scheinen wohl bestimmt verloren zu sein u. zwar beim Brand von Sâles, bei dem 8 große Postsäcke nicht mehr gerettet werden konnten. Ich schrieb Euch damals, daß französ. schwere Geschütze S[âles] plötzlich in Brand geschossen haben. Das Gleiche passierte nun am 23. X hier in Buxières, wo der Div. Stab war u. die Post. Es sollen 2–3 Säcke verbrannt sein. Das sind halt unvermeidliche Dinge im Krieg, u. man muß sich damit abfinden. Sonst kann ich speziell sehr zufrieden sein, im Gegensatz zu manchen Kameraden. Durch die Bezeichnung 1 & 4. F.A.R. soll manches in die aktiven Regimenter sich verlieren, darum lassen wir diese Be zeichnung jetzt ganz weg. Offiz. & Mannsch. Post wird vollkommen gleich behandelt. – Ich fühle mich gleichmäßig wohl, gleichmäßig traurig. Ich verwinde Augusts Tod nicht. Wie viel ist uns allen verloren; es ist wie ein Mord; ich komme gar nicht zu dem mir sonst ganz geläufigen Soldatenbegriff des Todes vor dem Feind u. für die Gesamtheit. Ich leide schrecklich darunter. Kuß D. Fz.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 112.
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