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[159] 30.IX 15.


Liebste, der arme kleine Trim! Das ist schon traurig; aber das Tierchen hatte es doch die wenigen Monate seines kleinen Lebens gut und vergnügt gehabt, so daß es keine traurige Erinnerung ist; das arme Peterchen seinerzeit schmerzte mich darum tiefer, weil ich immer dachte, es hätte noch viel gestreichelt und getröstet werden müssen für seine Kinderleiden. Hoffentlich bringst Du Schlick und Hanni durch; ich könnte auch nicht mehr machen als Du; ich weiß ja, wie hilflos wir damals in Planegg vor dem kleinen Rehchen standen, das uns starb. Ein gewisser Prozentsatz dieser Tierchen geht immer ein. Was Du tust, scheint mir alles ganz richtig. Außerdem muß man eben seine Erfahrungen sammeln, z.B. betreff der Würmer. Darüber weiß ich gar nichts. – Heut kam auch Dein Paketchen mit den Socken, Handschuhe und einem Paar ganz famoser Pulswärmer, die mir sehr gelegen kommen, da sie das Handgelenk doch viel wärmer halten als die kurzen. Geld sollst Du mir keins schicken, mein Lieb; solange ich hier im Casino esse, bin ich ja wirklich sehr gut versorgt, und da ich ja fast nichts trinke, genügt mir meine Löhnung so ziemlich. Mir macht ein bißchen zu sparen gar keine Schwierigkeiten; jetzt, in diesem Kriege, kann man nicht schlemmen! Ich hab wenigstens keine Lust. Meine Beförderung scheint wohl sicher; ich habe mich mit noch 2 (Schulte, Strathaus und Böcklein) schriftlich damit einverstanden erklären müssen; die beiden mußten sich als Reserveoffiziere außerdem zu 38 wöchentlichen Übungen verpflichten, ich als Offizier der Landwehr zu einer auf die Dauer bis zu 8 Wochen; ... Ob wir nun vorerst Offizier-Stellvertreter werden, wissen wir selbst nicht. Prüfung wird wahrscheinlich gar keine stattfinden. Ich glaube nicht, daß man mich eigentlich zur Batterie holen will, wenigstens nicht für dauernd. Unsre Kolonne wird jetzt stark vergrößert (24 Jahrgänge) und muß noch einen Offizier bekommen,[159] und ich scheine dazu ausersehen, was mir sehr recht wäre. In Anbetracht des nahenden Winters ist mir diese Beförderungsgeschichte schon sehr angenehm.

Die Offensive macht mir gar keine Angst mehr; sie können unsre Stellungen da und dort in Trümmer schießen, so daß man mal zurück muß, aber werfen können sie uns nicht; und die schrecklichen Verluste sind immer beiderseits. Wie mag es nur dem armen Helmuth ergangen sein? Er stand nicht weit von der Haupteinbruchstelle.

Betreff Welf magst Du Recht haben; später gebe ich ihn aber sicher weg. ... Beiliegend wieder Kriti ken; in der Frankfurter Zeitung erschien heut auch eine lange Rede über mich. Wenn das doch endlich aufhörte. Es ist mir so fad, und alles kommt mir so dumm und falsch vor, die Bilder selbst auch; ich kann mir, auch die guten, kaum mehr vorstellen. Behalte diese ganzen Besprechungen. Walden braucht sie nicht, glaub ich; oder wirf alles weg. – Du sollst keine Kopfschmerzen haben! – Das Russisch lernen macht mir Spaß. Du solltest diese Worte hören! Dieser Klangreichtum und diese Wortcharakteristik! Aber blödsinnig schwer; ich werde nicht recht weit kommen. Das ist mir auch gleich. Es ist wenigstens eine abstrakte Beschäftigung wie das Schach. Mit heißem Kuß Dein Fz.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 159-160.
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