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[201] 4.III.16


Liebste, denk Dir: heute bekam ich ein Briefchen von meinen Quartierleuten in Maxstadt (Lothr.), das Deinen Geburtstagsbrief enthielt! Die Frau hatte ihn doch, trotz meines damaligen Suchens, in einem der Kartons gefunden! Ich hab mich schon ein bißchen geschämt, aber auch doppelt gefreut, daß ich ihn nun doch habe: Du schreibst so lieb darin; ja, dieses Jahr werde ich auch zurückkommen in mein unversehrtes liebes Heim, zu Dir und zu meiner Arbeit. Zwischen den grenzenlosen schaudervollen Bildern der Zerstörung, zwischen denen ich jetzt lebe, hat dieser Heimkehrgedanke einen Glorienschein, der gar nicht lieblich genug zu beschreiben ist. Behüte nur dies mein Heim und Dich selbst, Deine Seele und Deinen Leib und alles, was mir gehört, zu mir gehört! Momentan hausen wir mit der Kolonne auf einem gänzlich verwüsteten Schloßbesitz, über den die ehemalige französische Frontlinie ging. Als Bett hab ich einen Hasenstall auf den Rücken gelegt, das Gitter weg und mit Heu ausgefüllt und so in ein noch regensicheres Zimmer gestellt! Natürlich hab ich genug Decken und Kissen dabei, so daß sich ganz gut drin schläft. Sorg Dich nicht, ich komm schon durch, auch gesundheit lich. Ich fühl mich gut und geb sehr acht auf mich. Dank viel, vielmal für den lieben Geburtstagsbrief! Küsse Dein Fz.


Franz Marc ist am selben Tag nachmittags 4 Uhr gefallen.

Quelle:
Franz Marc: Briefe, Schriften, Aufzeichnungen. Leipzig: Gustav Kiepenheuer, 1989, S. 201.
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