34.

[195] Der Europäer geht heute noch taub und blind über sein neues Land. Seine Füße sind stumpf, daß er den Fels, auf dem er steht, die Wahrheit unter ihm, den Schwerpunkt seiner Zeit nicht fühlt. Er glaubt immer noch im grundlosen Schutt und Sand der Vergangenheit zu stehen und spielt und wühlt in ihm wie ein Kind, – das ist der Europäer, der stahlharte, weitäugige, weltwissende Europäer mit bettelarmem, dürstendem Herzen, der neue Gotiker ohne Dom und Bibel, ohne Bild und Gestalt, der europäische Gedanke ohne Form.

Quelle:
Franz Marc: Schriften. Köln: DuMont, 1978, S. 195.
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