35.

[195] Der Tag wird nicht mehr ferne sein, an dem den Europäer, – die wenigen Europäer, die es erst geben wird – der große Schmerz seiner Gestaltlosigkeit überfallen wird. Dann werden diese Gepeinigten ihre Arme recken und Formsucher sein. Sie werden die neue Form nicht in der Vergangenheit suchen, auch nicht im Außen, in der stilisierten Façade der Natur, sondern die Form von innen heraus bauen nach ihrem neuen Wissen, das die alte Weltfabel in Weltformel, die alte Weltanschauung in Weltdurchschauung verwandelt hat.[195]

Die kommende Kunst wird die Formwerdung unserer wissenschaftlichen Überzeugung sein; sie ist unsre Religion, unser Schwerpunkt, unsre Wahrheit. Sie ist tief und schwer genug, um die größte Formgestaltung, Formumgestaltung zu bringen, die die Welt erlebt hat.

Quelle:
Franz Marc: Schriften. Köln: DuMont, 1978, S. 195-196.
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