1.

[231] Auf die Welt und ihre Güter

Lege nicht zu grossen Werth,

Weil noch keinem Menschensohne

Ihre Treue sie bewährt;

Keiner ass in dieser Bude

Stachellosen Honigseim,

Keiner trug aus diesem Garten

Dornenlose Datteln heim;

Und wo immer eine Fackel

Im Begriff zu leuchten stand,

Ward vom Wind sie ausgeblasen,

Wenn sie vollends erst gebrannt.

Wer mit unbedachtem Sinne

Seine Neigung ihr gewährt,

Hat, wenn du's genau betrachtest,

Seinen eig'nen Feind ernährt.

Ein Monarch, der, welterobernd,

Sieg' auf Siege hat gehäuft,

Und von dessen Heldenschwerte

Häufig Menschenblut geträuft;

Der mit Eines Angriff's Sturme

Einen Reiterschwarm durchbrach,

Und mit Eines Wortes Spitze

Eines Heeres Herz durchstach;

Der die Oberhäupter alle

Grundlos in den Kerker stiess,

Und die Hälse ihrer Häupter

Schuldlos dann berauben liess;[231]

Er, durch den erschreckt, die Löwin

Um die Frucht des Leibes kam,

Wenn sie in der weiten Wüste

Seinen Namen nur vernahm,

Machte ganz Schĭrās und Tauris

Und Ĭrāk sich unterthan:

Doch, nachdem er sie erobert,

Brach auch seine Stunde an:

Jener nämlich, der im Glanze

Ihm die Welt erscheinen liess,

War es, der mit einer Sonde

Ihm das helle Aug' durchstiess.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 3, S. 231-233.
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