1.

[41] Ich sprach: »O Sultan du der Schönen.

Erbarme dieses Fremdlings dich!«

Er sprach: »Wenn er dem Herzen folget,

Verirrt der arme Fremdling sich.«

Ich sprach zu Ihm: »Verzieh' ein wenig!«

Er sprach: »Entschuldigt lass mich sein,

Denn es erträgt das Kind des Hauses

Vom Fremdling nicht so viele Pein.«

Was grämt's den Zärtling, der da schlummert

Auf königlichem Hermelin,

Legt Stein' und Dornen sich der Fremdling

Als Polster und als Kissen hin?

Du, der so viel bekannte Seelen

An seiner Locken Kette hält!

Dein Moschusmaal auf rother Wange,

Ein Fremdling ist's, der sehr gefällt.

Fremd scheint die Ämsenschaar des Flaumes,

Die deine Wange rings umschliesst,

Wenn gleich in China's Bilderhause

Ein Moschusstrich kein Fremdling ist.

Auf deines Mondgesichtes Farbe

Erscheint des Weines Widerschein

Als Fremdling, wie die Ergwansblüthe

Auf Rosenblättern würde sein.

Ich sprach: »Du, dessen nächt'ge Locke

Der Abend eines Fremdlings scheint!

Du magst dich vor dem Morgen hüten,

Wenn dieser Fremdling klagt und weint!«

Er sprach: »Hafis! Selbst die Bekannten

Steh'n da verwundert über mich:

D'rum ist's begreiflich, setzt der Fremdling,

Krank und von Gram ermattet, sich.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 41.
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