2.

Der Morgen graut; die Wolke

Hüllt sich in Schleier ein:

Den Morgenwein, ihr Freunde!

Auf, bringt den Morgenwein!

Seht, wie auf Tulpenwangen

Der Thau hell niedersinkt:

D'rum bringt mir Wein, o Freunde,

Wein, den man immer trinkt!

Die Luft des Paradieses

Weht von der Wiese Rain:

D'rum trinket unablässig

Vom allerreinsten Wein!

Ein Thron ist's aus Smaragden,

Auf dem die Rose sitzt:

D'rum bringe Wein, der feurig

Gleich dem Rubine blitzt!

Man schloss das Thor der Schenke

Zum zweiten Male zu:

O öffne du es wieder,

Der Pforten Öffner du!

Wohl ist es zu verwundern,

Dass in so froher Zeit

Das Weinhaus man verschlossen

Mit solcher Schnelligkeit.

Dein Mund, roth wie Rubine,

Ist sich des Rechts bewusst,

Das wohl das Salz nur hätte

Auf eine wunde Brust.

Hafis, sei unbekümmert!

Es schlägt das Liebchen »Glück«

Am Ende doch den Schleier

Vom Angesicht zurück.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 41-43.
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