4.

Aus dem Garten deiner Liebe schöpfet

Selbst Rĭswān's Gefild des Ruhmes Fluth;

Von den Gluthen deiner Trennung borget

Selbst die Hölle ihre heisse Gluth.

Zuflucht sucht bei deiner schönen Wange

Und bei deiner schlanken Hochgestalt

Selbst das Paradies und selbst der Thuba;

Wohl denn ihnen! Schöner Aufenthalt!

Wie mein Aug', so sieht durch ganze Nächte

Auch der Strom der Paradiesesflur

Immerdar im Schlaf das Traumgebilde

Deiner trunkenen Narcisse nur.

Jeder Abschnitt in des Frühlings Buche

Ist ja deiner Schönheit Commentar,

Und ein jedes Thor des Paradieses

Bringt ein schönes Lobgedicht dir dar.

Dieses Herz verbrannte, und die Seele,

Nicht erhielt sie das gewünschte Gut;

Denn erhielt sie's, so vergöss' sie nimmer

Ein mit Wasser untermengtes Blut.

Deine Lippe und dein Mund geniessen

Salzesrechte mannigfacher Art

Auf das Herz, das leidende, das wunde,

Und den Busen, der zum Braten ward.

Wähne nicht, es sei'n zu deinen Zeiten

Nur Verliebte trunken und verstört:

Hast du nichts von jener Frömmler Lage,

Die da wüst geworden sind, gehört?

Jetzt zur Zeit der Herrschaft deiner Lippe

Wird es mir bis zur Gewissheit klar,

Dass, was den Rubin zu Tag gefördert,

Nur das Weltlicht einer Sonne war.[47]

Lüfte doch die Hülle, die dich decket!

Hüllt noch lang' dich dieser Schleier ein?

Brachte denn dir jemals diese Hülle

Andren Vortheil als nur Scham allein?

Als die Rose dein Gesicht erblickte,

Glühte sie, da Neid sie überkam;

Als sie sich an deinem Dufte labte,

Schmolz zu Rosenwasser sie aus Scham.

Liebe nur zu deinem Angesichte

Taucht Hafisen in des Unglücks Meer;

Sieh, es gilt ja eines Menschen Rettung:

Komm und hilf, denn sonst versinket er.

Fruchtlos ziehe nimmer dieses Leben

– Gib's nicht zu, Hafis – an dir vorbei:

Mühe dich und trachte aufzufinden,

Was der Zweck des theuren Lebens sei.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 1, S. 45-49.
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