10.

O der frohen Botschaft! Heil und Segen

Stieg nunmehr auf Su Sělēm herab;

Wer die Grösse dieser Huld erkannte

Lobt und preist den Schöpfer, der sie gab.

Doch wo weilt der Bote, der durch Kunde

Solchen Sieges uns so hoch erfreut?

Denn zu Füssen streu' ich ihm die Seele,

Wie man sonst nur Gold und Silber streut.

Wer ein Bündniss brach, der wird erfahren

Wie in Baldem auch sein Glück zerbricht:

Ist doch die Erfüllung der Verträge

Dem Verständ'gen eine Glaubenspflicht.

Wie so günstig Alles sich gestaltet,

Weil nunmehr zurück der König kam,

Und sein Widersacher eine Reise

Nach dem Zelt des Nichtseins unternahm!

Er begehrte von der Hoffnungswolke

Einen Regen der Barmherzigkeit:

Aber nur aus seinem eig'nen Auge

Träufelte die klare Feuchtigkeit;

Und er stürzte in den Nil des Grames,

Und der Himmel sprach zu ihm mit Hohn:

»Du bereu'st in diesem Augenblicke,

Doch zu spät kömmt deine Reue schon.«

Komm, o Schenke, weil die Rose blühet

Und die Zeit nun hohe Lust verspricht;

Bring' den vollen Becher her, und sorge

Um das Mehr dich und das Minder nicht!

Höre was der Weinpocal erzählet:

»Diese Braut, die hochbejahrte, hat

Vielen Freiern schon den Tod gegeben,

Mächtig einst wie Dschem und Kējkŏbād.«[233]

Ford're nicht, o Herz, was Dschem besessen,

Ford're nur das Glas gefüllt mit Wein!

Ganz in gleichem Sinne sang der Sprosser

Dort in Dschem's palastgeschmücktem Hain.

Einen Winkel in der Schenke wählte

Sich Hafis zum steten Aufenthalt.

Wo er lebt wie in der Au der Vogel,

Und der Löwe in dem stillen Wald.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 231-235.
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