13.

Bist der Morgen, und ich bin die Kerze

Die da brennt in stiller Morgenzeit;

Lächle Einmal nur und, sieh', die Seele

Bin für dich zu opfern ich bereit.

Deine spröde Locke hat mit Maalen

Mir das Herz so reichlich übersä't,

Dass mein Grab, bin ich einst heimgegangen,

Sich verwandelt in ein Veilchenbeet.

Deiner Hoffnungsschwelle zugewendet,

Öffnete mein Augenpförtchen sich,

Dass nur Einen Blick auf mich du werfest:

Doch du warfst, ach, aus dem Blicke mich!

Welche Art von Dank soll ich dir zollen,

Heer des Gram's? Der Schöpfer lohn' es dir!

Selbst am Tag, wo alle uns verlassen,

Weichst du nimmer von der Seite mir.

Meinen Augenstern muss ich beloben,

Denn, besitzt er gleich ein schwarzes Herz,

Weint er doch, aus Mitleid, tausend Thränen:

Wenn ich rechne mit des Herzens Schmerz.

Jeder Blick aus meines Götzen Auge

Strahlt zwar hold und freundlich immerdar,

Aber Niemand sieht dies Spiel der Augen,

Und nur mir erscheint es hell und klar.

Geht der Freund, dem schnellen Winde ähnlich,

An Hafisen's Staube einst vorbei,

Reiss' ich in des engen Grabes Herzen

Sehnsuchtsvoll das Leichentuch entzwei.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 239-241.
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