28.

Freunde, lasst die Zeit der Rosen

Uns der Lust und Freude weihen,

Lasst dem Wort des alten Wirthes

Uns das Ohr der Seele leihen!

Grossmuth wohnt nicht bei den Menschen,

Und da Freuden schnell vergehen,

Frommt's den Teppich zu verkaufen,

Und dafür Wein zu erstehen.

Wonnig wehen holde Lüfte;

Sende, Gott, uns einen Zarten,

Dass wir Rosenwein geniessen,

Schauend seiner Wange Garten!

In den Weg verdienten Leuten

Tritt des Himmels Orgelbauer:

D'rum, wie sollten wir nicht klagen,

Brausen nicht bei solcher Trauer?

Als die Rose sott, begossen

Wir sie nicht mit Weinesfluthen:

Darum sieden wir in Sehnsucht,

Und in der Entbehrung Gluthen.

Lasst vermeinten Wein uns trinken

Aus der Tulpe Glas! – Von hinnen,

Böse Blicke! denn wir kamen

Ohne Lied und Wein von Sinnen.

Wem, Hafis, kann man das Wunder

Jemals mitzutheilen wagen,

Dass wir Sprosser sei'n und schweigen

In der Rose Wonnetagen?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 279-281.
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