3.

Ist die Zeit noch nicht erschienen

Wo die Freunde sich erbarmen,

Und die Brecher der Verträge

Zum Gefühl der Reu' erwarmen?

Ist denn ihnen keine Kunde

Vom Entfernten zugekommen,

Dessen Busen von dem Feuer

Der Betrübniss ist entglommen?

Wenn mein Stamm nur erst erführe

Was mit dem sich zugetragen,

Dessen Hoffnung er gewesen,

Sicher würd' er ihn beklagen.

Es erschien der holde Frühling,

Und die Fluren grünen wieder;

Doch wo sind die zarten Mädchen?

Wesshalb schweigen ihre Lieder?

Schon erzählte meine Thräne

Was ich barg im Herzensgrunde:

O des wunderbaren Wesens,

Das da spricht mit stummem Munde!

Monde sind nun, wo die Jugend

Was sie wünscht sich sieht gewähren,

Und des Frühlings Lebenswonne

Muss nur ich allein entbehren!'

Wollt o Söhne meines Oheim's

Einen einz'gen Schluck mir reichen,

Denn erkennen lässt die Grossmuth

Sich an ihren edlen Zeichen!

Du, der du die Fürsten alle

Übertriffst an Edelmuthe,

Habe Mitleid! Gott wird's lohnen:

Denn Gewinn nur ist das Gute.

Jedem Freunde wurde Nahrung

Und was sonst ihm frommt gegeben:

Dennoch muss Hafis, der Arme,

Dürftig und verschuldet leben.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 213-215.
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