32.

Deines Auges Krankheit raubte

Mir die Sinne gestern Nacht;

Doch die Anmuth deiner Lippe

Hat sie mir zurückgebracht.

Deinen Flaum, den moschusgleichen,

Liebe ich nicht erst seit heut:

Dieses Neumondglas berauschet

Mich bereits seit langer Zeit.

Meinen festen Sinn belob' ich,

Weil, bist du auch hart und rauh,

Doch mein Fuss nie müd' geworden

Aufzusuchen deinen Gau.

Hoffe nicht dass ich gesunde

Ich, der stets in Schenken weilt:

Zechern – sagt' ich – will ich dienen,

Bis der Tod mich einst ereilt.

Hundert Fährlichkeiten drohen

Jenseits auf der Liebe Bahn:

Sage nicht: »Mein Leben endet,

Und geborgen bin ich dann.«

Künftig kümmert mich kein Neider

Der mit Marter pfeilen naht:

Bin ich doch bei dem Geliebten

Der da Bogenbrauen hat.

Küsse auf dein Onixkästchen

Sind wohl nimmer mir verwehrt,

Denn die Lieb' und Treue liess ich,

Warst du hart auch, unversehrt.

Ein gar kriegerischer Götze

Plünderte mein Herz, und schwand;

Wehe, fasst des König's Gnade

Mich nicht hilfreich bei der Hand!

Bis zum Himmel hebt Hafisen's

Stufe der Gelehrtheit sich:

Doch der Gram den du mir schaffest,

Hoher Buchs! erniedrigt mich.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 287-289.
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