39.

Überlass die Locke nicht dem Winde

Weil du mich dem Wind' sonst überliessest;

Unternimm den Bau nicht des Gekoses,

Weil du meinen Bau sonst niederrissest.

Lass die Wange hell im Feuer glühen,

Und du machst auf Rosen mich vergessen;

Lass empor den schlanken Wuchs sich heben,

Und du machst mich frei von den Zipressen.

Suche nicht Berühmtheit in den Städten,

Denn du machst mich sonst durch Berge streichen;

Sei nicht spröde, wie Schĭrīn gewesen,

Denn du machst mich sonst Fěrhāden gleichen.

Trink' nicht Wein in Anderer Gesellschaft,

Denn sonst würde Herzblut mein Getränke;

Denke nicht an alle Stammgenossen,

Dass ich deiner künftighin gedenke.

Lass dein Haar sich nicht zu Ringen formen,

Dass du mich nicht anzuketten strebest;

Gib dem Antlitz nicht des Wassers Schimmer,

Dass du nicht dem Wind' mich übergebest.

Werde nicht zum Freunde Unbekannter,

Weil du sonst mich von mir selber scheidest;

Kümm're dich um And'rer Leiden nimmer,

Weil du sonst mir jede Lust verleidest.

Werde nicht zur Kerze jeden Saales,

Dass du mich nicht gar verbrenn'st am Ende;

Wende nicht das Haupt, dass meine Klage

Nicht empor ihr Haupt zum Himmel sende.

Habe Mitleid mit mir armem Manne,

Und erschein', wenn Hilfe ich verlange,

Dass mein lauter Hilferuf nicht etwa

Bis zum Thürstaub des Ăssāf's gelange!

Sei nicht immer grausam, wie der Himmel,

Denn du tödtest sicher sonst Hafisen:

Füge dich, dass mir die Gunst der Sterne

Das verleih' was sich als Recht erwiesen.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 307-309.
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