48.

Vor den Staub den deine Füsse treten

Legt' ich hundertmal das Antlitz hin,

Hielt mich stets in gänzlicher Entfernung

Von des Volkes heuchlerischem Sinn.

Allen Ruhm der tugendhaften Ahnen,

Der hinauf durch viele Jahre reicht,

Weihte ich dem Glase und dem Schenken,

Dessen Antlitz einem Monde gleicht;

Und der Schule Bogengang und Kuppel,

Und was streitend Weisheit dort bespricht,

Weihte ich den Freuden dieses Lebens

Und des Lieblings Rosenangesicht;

Und ich legte keine schwere Bürde

Auf ein Herz das baar an Kräften war,

Und ich knüpfte das Gepäck des Lebens

Jederzeit nur an ein einz'ges Haar;

Und des Heiles Königreich bezwang ich

Nimmermehr durch einen Kriegerschwarm,

Und den Grund zum Herrschaftsthrone legt' ich

Nimmermehr durch einen starken Arm.

Jenem Paar bezaubernder Narcissen

Brachte willig ich die Seele dar,

Und das Herz auch legte ich mit Wonne

Hin vor jenes ind'sche Sünbülhaar.

Welch' ein Spiel treibt wohl des Freundes Auge

Das die Macht der Zauberei besitzt,

So dass ich auf seines Blickes Zauber

Meines Lebens ganzen Bau gestützt;

Und, gelagert in der Hoffnung Ecke,

Jenen gleich, die nach dem Neumond schau'n,

Richtete ich des Verlangens Auge

Hin auf jene hold geschweiften Brau'n.[329]

Fern von Seiner lieblichen Narcisse

Legte ich, mit schwermuthvollem Sinn,

Wie berauscht, mein Haupt, dem Veilchen ähnlich,

Auf die Spitze meines Kniees hin.

Nur Genuss, Hafis, sei dein Bestreben

Denn die Barschaft »Einsicht und Verstand«

Für den Freund mit kettengleicher Locke

Hinterlegte ich als Unterpfand.

Und du sprachst: »Hafis, an welchem Orte

Mag dein Herz, das irrende, nun sein?«

In die Ringe jener zarten Häkchen

Deiner Locken legt' ich es hinein.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 327-331.
Lizenz:
Kategorien: