50.

Für den Weltschmerz, dessen Grenzen

Ich stets weiter sehe weichen,

Seh' ich wohl kein and'res Mittel

Als den Wein, den erg'wangleichen.

Ich entsage nicht des Wirthes

Mir so freundlichem Verkehre,

Denn ich seh' in dieser Sache

Nichts was Nutzen mir gewähre.

Niemand gibt bei diesem Rausche

Mir nur Eines Schlückchens Labe;

Sieh, ich seh' hienieden Keinen

Der ein Herz im Busen habe.

Miss an des Pocales Sonne

Deiner Lebensfreuden Höhe,

Weil ich das Gestirn der Zeiten

Nicht beharrlich günstig sehe.

Für ein Herz zeugt nur die Liebe:

Halte dich an sie für immer;

In der Stadt bei uns'ren Scheïchen

Seh' ich dieses Zeichen nimmer.

Um das Härchen Seiner Mitte,

D'ran das Herz ich fest gebunden,

Frag' mich nicht: denn selber seh' ich

Aus der Mitte mich verschwunden.

Über die zwei nassen Augen

Ruf' ich tausend Male Wehe!

Weil ich, ach, trotz zweier Spiegel,

Sein Gesicht nicht deutlich sehe.

Seit dein schlanker Wuchs dem Bache

Meines Auges ward entrissen,

Seh', an der Cypresse Stelle,

Ich nur Wasserströme fliessen.

Mir genügt das Schiff Hafisens:

Denn auf keinem and'ren Meere

Seh' ich eine Redewaare

Die so herzerfreuend wäre.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 333-335.
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