54.

Jenem, dessen Fuss mich grausam,

Gleich dem Strassenstaub zertrat,

Küsse ich den Staub, nicht ruhend

Bis sein Fuss verzieh'n mir hat.

Bin von Jenen nicht die klagen

Dass du hart sei'st: Gott bewahr'!

Bin ein treuer Knecht und Diener,

Glück dir wünschend immerdar.

An dein Lockenhäkchen knüpfte

Ich ein langes Hoffnungsband,

Und es möge ja mir nimmer,

Kürzen des Verlangens Hand!

Bin ein Stäubchen, dem die Stunden

Froh im Gau bei dir vergeh'n;

Doch mich wird, o Freund – so fürcht' ich –

Unverhofft der Wind verweh'n;

Bin ein Ssofi aus der Klause

Einer heil'gen Welt; allein

In dem Kloster nur der Wirthe

Kehr' ich gegenwärtig ein.

Morgens gab der Greis der Schenke

Mir das Glas das Welten weist,

Zeigend mir in jenem Spiegel

Wie du gar so reizend sei'st.

Auf! Mit mir, dem Strassenbettler,

Eile nach der Schenke hin,

Und dann sieh' wie hoch an Würde

Ich in jenem Kreise bin!

Trunken zögst du fort, der Sorge

Um Hafis gabst du nicht Raum

Ach, wenn um mein Ach ergriffe

Deiner holden Reize Saum!

Froh vernahm ich's als des Morgens

Der Monarch des Ostens sprach:

»Bin ich Kaiser auch, so dien' ich

Doch als Knecht dem Tūrănschāh.«

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 345-347.
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