58.

Schürzte auch mir Seine Locke

Einen Knoten in mein Thun,

Hoff' ich doch, durch Seine Gnade,

Eine frohe Lösung nun.

Halte meiner Wangen Röthe

Für der Freude Zeichen nicht:

Denn, wie durch ein Glas, so schimmert

Herzblut mir durch's Angesicht.

Durch des Sängers Weisen werde

Aller Fassung ich beraubt;

Ach, mir ist in diese Weisen

Einzustimmen nicht erlaubt!

Vor das Heiligthum des Herzens

Stell' ich Nachts mich wachend hin,

Einlass in dies Zelt gewährend

Dem Gedanken nur an Ihn;

Und es schlief durch Seinen Zauber

Meines Glückes Auge ein;

Doch das Lüftchen, das mich gnädig

Wieder weckt, wo mag es sein?

Jener Zauberdichter bin ich,

Dem aus seinem Schreibe-Rohr,

Durch die Wundermacht des Wortes,

Zucker quillt und Kand hervor.

Ich betrat der Liebe Wüste,

Hoffend hundertfält'ges Glück;

Führer des verirrten Herzens,

Lass mich ja nicht hier zurück!

Niemals kann ich Ihn erblicken:

Gleich dem Winde eilt Er fort!

D'rum, wem sage ich, er sage

Meinem Freund ein holdes Wort?

»Alles trägt – so sprach Er gestern –

An Hafis der Falschheit Spur.«

Sprich, mit wem hab' ich zu schaffen

Als mit deinem Thürstaub nur?

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 353-355.
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