62.

Sei gegrüsset, Vogel du des Glückes,

Du, der stets als Freudenbot' erscheint,

Sei willkommen! Welche Kunde bringst du,

Wohin willst du? Führt der Weg zum Freund?

Herr! Es leite diese Karawane

Deine Huld, die ewige, an's Ziel,

Weil durch sie das Liebchen glücklich wurde,

Und der Gegner in die Schlinge fiel.

Zwischen mir und zwischen dem Geliebten

Endet nie der zänkische Verkehr:

Denn was keinen Anfang hat genommen,

Das gelangt auch nie zum Ende mehr.

Weil des Holden Sonnargleiche Locke

Es gebieterisch von mir begehrt,

Nun so ziehe ruhig fort, o Meister:

Eine Kutte bleibt mir streng verwehrt.

Meinen Geist, den Vogel dessen Lieder

Man von Sidra's hohem Wipfel hört,

Hat das Körnchen deines Maales endlich

In das Netz gelockt und schlau bethört.

Allzu stolz geberdet sich die Rose:

Lass denn gnädig du die Wange schau'n!

Unschön ist die Haltung der Zipresse:

Schreite du denn zierlich durch die Au'n!

Meinem Auge, dem nur Blut entträufet,

Ist der Trost des Schlummers nicht gewährt:

Wen ein Schmerz, ein tödtender, befallen

Hat des Schlafes Wohlthat stets entbehrt.

Dass du meiner niemals dich erbarmest

Hab' ich Herzberaubter dir gesagt;

Auch behaupt' ich's, und die Zeit wird kommen,

Wo dich reut was du zu thun gewagt.

Wenn Hafis zu deinen holden Brauen

Hin sich neigt, so thut er wohl daran,

Denn es siedeln die beredten Männer

In dem Winkel sich des Altar's an.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 363-365.
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