63.

Wir sorglose, trunkene Männer,

Wir gaben das Herz aus der Hand;

Wir sind die Vertrauten der Liebe

Und geistig dem Weinglas verwandt.

Man schoss aus den Bogen des Tadels

Auf uns schon gar häufig und viel,

Seitdem durch des Seelenfreund's Braue

Wir glücklich getroffen das Ziel.

Das Brandmaal des Morgens, o Rose,

Du trägst's erst seit gestriger Nacht:

Wir aber, wir sind Anemonen,

Die mit auf die Welt es gebracht.

Gesetzt uns're Reue erweckte

Im Wirthe Betrübniss und Leid,

So heiss' ihn den Rebensaft klären:

Zum Widerruf sind wir bereit.

Durch dich nur wird Alles gefördert,

Ein Blick nur, o Führer, von dir,

Und unsere Ohnmacht zu allem

Erkennen, wie billig, dann wir.

Erblicke nicht stets wie an Tulpen

An uns nur Pocale und Wein;

Nein, blick' aufs Maal auch; wir brannten

Dem blutenden Herzen es ein!

Du sprachst: »All' die Farben und Bilder,

Hafis, was bedeuten sie dir?«

So lies doch nicht falsch und nicht irrig:

Ein Blatt, ein ganz reines, sind wir.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 365-367.
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