69.

Ich spreche Böses nicht, und neige

Mich nicht zur Ungerechtigkeit;

Ich schwärze keiner Menschen Wange,

Und bläue nicht das eig'ne Kleid.

Schlecht ist es, Arme oder Reiche

Mehr oder weniger zu schmäh'n,

Und das Gerathenste ist immer,

Nie böse Thaten zu begeh'n.

Ich schreite schön einher zu Fusse

In aller Wand'rer Angesicht,

Und kümm're mich um schwarze Pferde

Und um geschmückte Sättel nicht.

Ich schreibe in das Buch des Wissens

Nie eine falsche Stelle ein,

Und füge das Geheimniss Gottes

Nicht zu dem Blatt der Gaukelei'n.

Am Klügsten ist's, dass, wenn der Frömmler

Mir den Genuss des Weines wehrt.

Ich ihn mit keinem Weine ehre,

Der lauter ist und rein geklärt;

Und setzt der König ohne Achtung

Die Zecherhefe an den Mund,

So gebe ich in keinem Falle

Ihm Lauterkeit und Treue kund.

Den Schiffbruch der verdienten Männer

Begünstiget der Himmel sehr:

Am Klügsten ist, mich nicht zu stützen

Auf dieses aufgehang'ne Meer;

Und sprach ein Neider irgend Böses,

Und zürnet der Gefährte dann,

So sprich zu ihm: »Sei guten Muthes!

Wir hören keinen Dummen an.«

Hafis, hat sich der Feind geirret,

Lass mich darum ihn schelten nicht,

Und sprach er wahr, lass mich nicht streiten

Mit Einem der da Wahrheit spricht.

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 381-383.
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