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Wo weilt die frohe Kunde deiner Liebe,

Dass ich beseligt ihr entgegen ziehe

Und, als ein Vogel heiliger Gefilde,

Dem Netze dieser Erdenwelt entfliehe?

Bei deiner Liebe sei es hier geschworen!

Willst du als deinen Diener mich erkennen,

So will ich freudig dem Gelüst entsagen

Gebieter mich von Zeit und Raum zu nennen.

Dass du den Regen deiner Leitungswolke

Herab mir sendest, Herr, ist meine Bitte,

Eh der Moment erscheint wo ich, als Stäubchen

Empor mich schwinge aus der Menschen Mitte.

Nie ohne Wein und nie auch ohne Sänger

Verfüge auf mein Grab dich zum Besuche,

Auf dass ich mich, bei deinem süssen Dufte,

Zum Tanz erhebe aus dem Leichentuche.

Bin ich gleich alt, so magst du doch nicht minder

Mich einmal Nachts mit Innigkeit umfangen,

Auf dass ich jung mich deinem Arm entwinde

Wenn in der Früh die Sonne aufgegangen.

Erhebe dich, lass deinen Wuchs mich schauen,

O Götze du von lieblicher Geberde,

Auf dass, Hafisen ähnlich, ich entsage

Der eig'nen Seele und der Lust der Erde!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 397-399.
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