14.

Ein gar zartes Wort will ich nun sprechen:

»Sieh das Maal auf jenen Mondeswangen,

Sieh wie fest geknüpft Verstand und Seele

An den Ketten jenes Haares hangen!«

Und ich schalt das Herz, indem ich sagte,

Dass sein wildes Schüchternsein nicht tauge;

Und es sprach: »O sieh nur jenes Hirschen

Halbberauschtes, türkengleiches Auge!«

Jener Ring, geformt aus Seinem Haare,

Dient zum Schauplatz sanften Morgenwinden:

Sieh wie Hunderte von Herzbesitzern,

Dort die Seel' an jedes Härchen hingen!

Meinen Liebling kennt nicht wer die Sonne

Anzubeten nähret das Verlangen:

Sieh, o Tadler, doch um Gotteswillen

Nicht auf ihre, sieh auf seine Wangen!

Bande legte um des Ostes Nacken

Sein gelocktes Haar, das Herzen raubet:

Sieh das schlaue Spiel das sich der Inder

Mit dem luft'gen Wanderer erlaubet!

So ein Lieb wie ich's so eifrig suche,

Dass ich d'rüber aus mir selber schreite,

Schaute Keiner, wird auch Keiner schauen:

Sieh dich kühn nur um nach jeder Seite!

Reibt Hafis sich an des Altar's Ecke

Das Gesicht, so muss man Recht ihm geben:

Sieh, o Tadler! doch um Gotteswillen

Jener Braue Wölbung dort sich heben!

Himmel, weig're dich nicht zu erfüllen

Das was Schah Mănssūr von dir begehret!

Sieh die scharfe Klinge seines Schwertes,

Und die Kraft die seinen Arm bewehret!

Quelle:
Diwan des großen lyrischen Dichters Hafis. 3 Bände, Wien 1858, Band 2, S. 439-441.
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